Mittwoch, 3. Dezember 2008

Wirkungslosigkeit des Theaters

Die Fetischisierung der Verhältnisse, unter welchen die Menschen leben, ist die höchste Stufe der Ohnmacht und Macht zugleich, denn niemand sonst als der Mensch selbst - der gesellschaftliche Mensch - produziert diesen ungeheuerlichsten Irrtum, gegen den Ptolomäus' Sonne, die um die Erde kreist, ein Kinderspiel ist.
Hier und niemals bei dem Theater allein liegt die Wurzel der beklagten Wirkungslosigkeit des Theaters. Aufgehoben kann sie nur werden, wenn sie in einer größeren Wirksamkeit 'aufgehoben' wird: das ist die gesellschaftliche. Denn es kann nur eine Wirksamkeit des Theaters geben (sofern sie überhaupt angestrebt wird): gesellschaftlichen Kräften, die auf Grund ihres historischen Seins Veränderungen der Gesellschaft bewirken können, zur Wirksamkeit zu verhelfen, und zwar in genußvoller Weise. Als heitere Selbstbestätigung des Menschen, der sich als sein eigenes Schicksal begreift.

Manfred Wekwerth - Notate, edition suhrkamp, Frankfurt am Main, 1967, S.83

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