Donnerstag, 23. April 2009

Eine gewisse mathematische Logik

Ein bekannter Ausspruch lautet: "Würden geometrische Axiome an menschliche Interessen rühren, so würde man sicherlich versuchen, sie zu widerlegen." Die Bewertung der Sätze der euklidischen Geometrie, von welchem Standpunkt auch immer betrachtet, ist logischerweise ohne erkennbaren Sinn. Wenn eine Person x behauptet, es gelte "p", ohne zu wissen, daß "nicht-p" gilt, so ist das lediglich ein Irrtum. Würde x aber wissen, daß "nicht-p" gilt, und dennoch "p" behaupten, so würde x lügen. Natürlich ist es nicht immer einfach, der Person x letzteres nachzuweisen. Da es hier aber nur um einen Zusammenhang zwischen einem Sachverhalt und einer Aussage geht, dürfte es relativ einfach sein, festzustellen, ob die Aussage "p" nun wahr oder falsch ist. Der mathematische Beweis ist leicht erbracht.

Etwas anderes ist es, wenn eine Aussage bestimmte Interessen oder Zwecke berührt. Da die Analyse objektiver Tatsachen bekanntlich in engem Zusammenhang mit dem praktischen Handeln der Menschen steht, ist es durchaus möglich, daß die Wahrheit hierbei Schaden nimmt. Genau dann nämlich, wenn die Person x glaubt, "p" sei wahr, weil es im Interesse der von x vertretenen Personengruppe liegt, "p" für wahr auszugeben. Obwohl genau das Gegenteil zutrifft, daß nämlich "nicht-p" den Tatsachen entspricht. Der Glaube ist also das Fürwahrhalten von Aussagen. Er ist immer an irgendeine Form des Vertrauens gebunden, welches - wie man sieht - auch leicht zu mißbrauchen ist. Das hat die Geschichte gezeigt. Eine gewisse Weitschweifigkeit der Erklärungen vermag zwar die Überzeugungskraft einer Aussage zu erhöhen, das ändert jedoch nichts an deren Wahrheitswert. Skepsis ist also stets angebracht, wo es darum geht, die historische Wahrheit zu ergründen. Denn sie rührt eben an bestimmte menschliche Interessen.

Die Professoren arbeiten derweil ihr Staatsgehalt noch ab, und wo bisher die Dummheit und die Unbildung fröhliche Urständ feierten, hat bereits die Komik ihr weites Betätigungsfeld. Oder wie der Kabarettist Jürgen Hart schon sagte: "Wer aber lacht, befaßt sich heiter, also gelöst, mit der Lösbarkeit des Widerspruchs." Und schließlich geht unweigerlich die Wahrheit aus ihrer "Vernichtung" durch die offiziellen Protagonisten geläutert, und zunehmend lebenskräftiger hervor.

"Durch die Nacht zum Licht - auch wenn es noch ein langer Weg und Zeitraum ist!"
(G.J.)

Montag, 20. April 2009

Gedanken des Clowns Nikulin

Юрий Никулин - клоун - писал о своей работе:

Помня своё разочарование в детстве, я стараюсь поддерживать репутацию клоунов и не остаюсь в долгу. Подмигнув или пощекотав живот какому-нибудь малышу, я продолжаю быть клоуном: пусть дети думают, что я всегда смешной. "Весело ли вам бывает, когда вы выступаете в цирке?" Снова и снова я вспоминаю этот вопрос по пути домой. Действительно, а что я испытываю во время спектакля? Пожалуй, больше всего - волнение, озабоченность, удовлетворение, если чувствую, что точно сработал трюк, ощущаю, как хорошо принимают сегодня репризу. Это я испытываю, но веселье. Иногда радуешсья после представления предстоящему отдыху. В цирке нагрузка доходит до сорока представлений в месяц, а в дни школьных каникул и до шестидесяти. В такие дни не до творчества, не до взлетов актёрского мастерства. Напряженная работа, работа на износ, и каждый вечер мы считаем, сколько осталось дней до конца каникул. Ты чувствуешь себя заведённой машиной. До веселя ли тут? "А вам не надоедает делать каждый вечер одно и то же?" Этот вопрос тоже вертелся в голове, пока я шёл домой. Да это тяжело. Иногда даже возникает непреодолимое (и всё-таки я его преодолеваю) желание не идти на работу. Как хорошо, например, пойти в кино или просто почитать, а тут надо в тысячный раз выходить на манеж, бросать под купол бумеранг и произнозить во время фокуса с яблоком ты самую фразу, которая так не понравилась человеку, моему "доброжелателю": Снимаем обыкновенную шляпу с обыкновенной головы".

Любопытно, нежелание работать проходит, как только окажешься в своей гардеробной и окунешься в привычный ритм цирковой жизни. Гримируешься, отдеваешься, готовишь реквизит, а тобой уже овладевает знакомое волнение. Я бы сравнил это с чувством, которое испытывает спортсмен перед прыжком в воду.

Я люблю свою профессию. У меня никогда не возникало сомнения: искусство ли цирк или не искусство?

Публика любит посмеяться. Я твердо верю в то, что смех укрепляет здоровье и продлевает жизнь. Минута смеха - на день больше живёт человек. (Ю.Никулин, Почти серьёзно, М. 2004, Стр.564)


Der sowjetische Clown, Schauspieler und Zirkusdirektor Juri Nikulin schrieb über seine Arbeit:
Wenn ich mal an die Enttäuschungen in meiner Kindheit denke, so will ich versuchen, die Reputation der Clowns hochzuhalten und ihr nichts schuldig zu bleiben. Ich habe mein Innerstes nach allerlei Kleinigkeiten durchsucht und bin wieder Clown - auch wenn Kinder denken, daß man dabei immer nur komisch ist.
"Kommt es Ihnen denn lustig vor, wenn Sie im Zirkus auftreten?" Immer wieder denke ich auf dem Heimweg über diese Frage nach. Was mache ich denn eigentlich während der Vorstellung? Freilich gibt es vieles, was ich empfinde: Aufregung, Besorgnis, aber auch Befriedigung, wenn ich merke, daß ein Trick, den ich genau erarbeitet habe, in der Vorstellung gut gelang. Und das strebe ich auch an - aber nicht: Spaß zu machen. Manchmal freue ich mich nach der Vorstellung auch auf die bevorstehende Erholung.
Bis zu vierzig Zirkusvorstellungen im Monat, und in den Schulferien bis zu sechzig - das ist schon eine Belastung . An solchen Tage kommt man oft nicht zu außergewohnlicher Kreativität, zu Höhenflügen der schauspielerischen Meisterschaft. Es ist eine angespannte Arbeit, Arbeit auf Verschleiß. Und jeden Abend rechnen wir nach, wieviele Tage noch bis zum Ende der Ferien übrigbleiben. Man fühlt sich oft wie eine ferngesteuerte Maschine. Ist das etwa lustig? - "Ist es Ihnen nicht langweilig, jeden den Abend ein und dasselbe zu machen?" Diese Frage ging mir auch oft im Kopf oft herum, während ich nach Hause ging. Ja, es ist schwer! Manchmal entsteht sogar der fast unüberwindliche Wunsch (und trotzdem überwinde ich ihn),
nicht zur Arbeit zu gehen. Wie schön wäre es zum Beispiel, wenn man jetzt einfach ins Kino gehen könnte oder etwas lesen, anstatt zu tausendsten Mal in die Manege hinauszugehen und genau den gleichen Trick vorzuführen.
Diese Unlust zu arbeiten vergeht, sobald man sich in der Garderobe befindet und zum gewohnheitsmäßigen Rhythmus des Zirkuslebens übergeht. Du schneidest ein paar Grimassen, ziehst dich um, bereitest die Requisiten vor, und schon packt dich das bekannte Lampenfieber. Ich vergleiche es oft mit dem Gefühl, das ein Sportler hat, bevor er ins Wasser springt.
... Ich liebe meinen Beruf. Ich hatte noch nie Zweifel daran: Ist der Zirkus nun eine Kunst oder nicht? Das Publikum lacht gerne. Und ich bin fest davon überzeugt, daß Lachen gesund ist und das Leben verlängert. Hat er eine Minute gelacht, so verlängert der Mensch sein Leben um einen Tag! (Juri Nikulin, Beinahe ernsthaft, Moskau 2004, S. 564f., ru.)

Mittwoch, 15. April 2009

Wer die Wahrheit eine Lüge nennt...

MUCIUS: Herr Galilei, ich...
GALILEI: Sagen Sie nichts von Schwierigkeiten! Ich habe mich von der Pest nicht abhalten lassen, meine Notierungen fortzusetzen.
MUCIUS: Herr Galilei, die Pest ist nicht das schlimmste.
GALILEI: Ich sage Ihnen: Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher! Gehen Sie hinaus aus meinem Haus!
MUCIUS tonlos: Sie haben recht.

BERTOLT B R E C H T - Leben des G a l i l e i

Ob er fleißig sei?

Soweit ich sehe, sind alle Künstler fleißig und in dieser Hinsicht ein Vorbild für die restliche Menschheit. Welcher Berufsstand sonst hätte habituell an sich, bis zur Selbstvernichtung an einem Erzeugnis zu arbeiten, von dem er weiß, daß es benötigt wird, und von dem er Grund hat anzunehmen, daß niemand vorhat, es zu bezahlen? Die Künstler wissen stets, was die Zeiten, aber nie, was die Zeitungen von ihnen verlangen; um so mehr verdient sie sind, desto weniger sind sie verdienend; sie unterwerfen sich dem gesellschaftlichen Auftrag, ohne viel zu fragen, ob die Gesellschaft ein Lohnbureau für derartige Sachen eingerichtet hat. Ihre einzige Tugend ist ihre Arbeit. Wie jene hat diese den Lohn in sich; übrigens billige ich dieses Verhalten nicht ohne Einschränkung. Ein Künstler, denke ich, sollte für sich zu sorgen wissen. Wer würde einen Arbeiter loben, der seine Maschine nicht pflegt?
(Peter H a c k s , Die Maßgaben der Kunst, Berlin 1978, S.175)

Nun haben wir sie ja oft die Frage: Was macht eigentlich ein Künstler den lieben langen Tag? Gerade auch ein Schriftsteller, der die Früchte seiner Arbeit erst dann erntet, wenn der Leser sie in Form eines Buches in den Händen hält, weiß sehr wohl, daß es im künstlerischen Schaffensprozeß auch Zeiten geben muß, die dem eigenen Wohlergehen geschuldet sind, als daß sie denn mit steter, unerbittlicher und fleißiger Arbeit zu tun haben. Ohne letztere gäbe es freilich die ersteren nicht; doch ohne jenes kreative "Nichtstun" wäre wohl auch kaum all das entstanden, was wir als große Werke der Weltliteratur bezeichnen...

Freitag, 10. April 2009

gelungene Erkenntnis

Fröhliche Ostern

Ein neckisches Gedicht, nicht wahr???

Da seht aufs neue dieses alte Wunder:
Der Osterhase kakelt wie ein Huhn
und fabriziert dort unter dem Holunder
ein Ei und noch ein Ei und hat zu tun.
Und auch der Mensch reckt frohbewegt die Glieder -
er zählt die Kinderchens: eins, zwei und drei...
Ja, was errötet denn die Gattin wieder?
Ei, ei, ei,
ei, ei,
ei!

Der fleißige Kaufherr aber packt die Ware
ins pappne Ei zum besseren Konsum:
Ein seidnes Schnupftuch, Nadeln für die Haare,
die Glitzerbrosche und das Riechparfuhm
Das junge Volk, so Mädchen wie die Knaben,
sucht die voll Sinn versteckte Leckerei.
Man ruft beglückt, wenn sies gefunden haben:
Ei, ei, ei,
ei, ei,
ei!

Und Hans und Lene steckens in die Jacke,
das liebe Osterei - wen freut es nicht?
Glatt, wohlfeil, etwas süßlich im Geschmacke,
und ohne jedes innre Gleichgewicht.
Die deutsche Politik... was wollt ich sagen?
Bei uns zu Lande ist das einerlei -
und kurz und gut: Verderbt euch nicht den Magen!
Vergnügtes Fest! Vergnügtes Osterei!

(Kurt Tucholsky)

Zarenzeit

N.A.Romanow - vermutlich einer der ersten Milliardäre der Welt - schreibt in seinem Tagebuch:
"15. August. Mittwoch (1912) Ein warmer Tag; morgens bis 12 Uhr starker Regen mit Unterbrechungen; dann besserte sich das Wetter. Um 11 Uhr zur Messe gefahren. Tinchen frühstückte mit Alberts Töchtern. Bin mit Olga, Tatjana und Anastasia spazieren gegangen. Vertrieben uns die Zeit auf Stelzen und mit Netzspringen. Wir kehrten gegen 5 Uhr zurück. Nach dem Tee habe ich gelesen. Gegessen mit Gawrill (Diensthabender). Ich begann mit lautem Lesen des neuen Dramas 'Der Judenkönig'..." usw. usf. ... habe lang geschlafen ... fuhr mit dem Wagen im Walde herum ... abends klebte ich Fotos ins Album...
Welch ein Leben! Im Jahre 1913 feierte die Familie Romanow eine ganze Woche lang ihre dreihundertjährige Herrschaft. In dieser Zeit waren sie zu Milliardären geworden. 1917 wurden sie erschossen!