Mittwoch, 20. April 2011

Der Zirkus im Wandel der Zeit

Kürzlich erschien in der Zeitung ein Artikel über den eskalierenden Konkurrenzkampf zweier konkurrierender Zirkusfamilien. Das ist ein bedauerlicher Vorfall, zumal es gerade in diesem Beruf auf Hilfe und Verläßlichkeit, auf Kameradschaft und artistische Fairness ankommt.


Soviel ich weiß, ist in den letzten Jahren nicht mehr viel über die gegenseitige Hilfe und kameradschaftliche Zusammenarbeit geschrieben worden, wie sie beispielsweise für den Sowjetischen Staatszirkus, charakteristisch waren. Ältere Artisten, die das noch miterlebt haben, können sehr wohl davon berichten. Da gab es zwar auch mal diesen oder jenen kleinen Streit, aber es gab einfach keine derartig eskalierenden Auseinandersetzungen, wie sie heute unter konkurrierenden Zirkusunternehmen üblich sind. Und dabei ist eine solche Entwicklung für heutige Verhältnisse ganz und gar zwangsläufig. 

"Der Artist", so schreibt Mario Turra, "der bis dato – vergleichbar mit einem Familienhandwerksbetrieb – mit Frau und Kindern in einer klapprigen Marignotte durch die Lande zog, um als Seiltänzergesellschaft – vielleicht noch mit ein oder zwei von ihm ausgebeuteten Eleven sein armseliges Leben zu fristen, wird nun durch durch freie Marktwirtschaft gezwungen, in größeren Gruppen aufzutreten. Er muß gegenüber dem Theater konkurrenzfähig werden, das bereits einige Zeit vorher denselben Schritt getan hatte. Der frühere Prinzipal wird zum Direktor, der sich mit der Zeit  alle Eigenschaften eines kapitalistischen Industrie-Unternehmers aneignet.  
  Ohne diesem Zirkusdirektor nun alle künstlerischen Amitionen abstreiten zu wollen, ist dessen Ziel jedoch, möglichst viel zu verdienen, um seinen Zirkus konkurrenzfähig erhalten zu können, damit er sich und seine Familie gut ernähren und auch noch einen 'Notgroschen' fürs Alter zurücklegen kann. Er braucht also das gutsituierte Bürgertum, das ihm die Kassen füllt. Aber er weist auch den Pfennig des Proleten nicht zurück, denn 'Kleinvieh macht auch Mist'. Das weiß er noch aus der Zeit, in der er mit dem Teller sammeln ging." ¹

Die Gründe für diese gewalttätigen Auseinandersetzungen, die sich kürzlich in Regensburg ereigneten, sind also – und das sei hier zur Ehrenrettung dieses Berufs gesagt – keineswegs in der "Gewaltbereitschaft" der Artisten zu suchen. Sie liegen vielmehr in den sich verschlechternden  Verwertungsbedingungen der artistischen Berufe. Soviel künstlerisches Geschick, und soviel Sensibilität auch erforderlich sein mögen – eine Zusammenarbeit im Sinne kameradschaftlicher Arbeitsbedingungen kann und wird es nur geben, wenn die Menschlichkeit über den privaten Egoismus siegt. Vorerst jedoch ist den Beteiligten zu raten, sich nicht gegenseitig zu bekriegen, sondern gemeinsam etwas gegen die Ursachen dieses Zustandes zu unternehmen, und – wie der Clown sagt: 

EIN  LÄCHELN  HILFT  (nicht)  IMMER !

¹ Mario Turra, Das Lachen des Clowns, Henschelverlag, Berlin, 1972, S.43

Donnerstag, 14. April 2011

Der Clown und sein Publikum

Clown Gerrit in Neuruppin
Es gibt kaum eine Verbindung zwischen Menschen, die unkomplizierter, unmittelbarer und freundlicher wirkt, als ein Lächeln. Der professionelle Clown ist ein Meister dieses Fachs. Er ist ein Brückenbauer.  Mit der Sprache der Pantomime  bringt er Menschen miteinander in Kontakt. Ein Blickkontakt, ein Wink, und eine Lächeln huscht über's Gesicht wer könnte dem widerstehen...

Der Clown geht auf das Publikum zu, ob alt oder jung er bezieht die Menschen ein in sein wortloses Spiel. Mit seinem großen Koffer ist Clown Gerrit nicht zu übersehen. Er trägt ihn mit Leichtigkeit. Mühelos schlüpft er in verschiedne Rollen den Spaziergänger, den Zahnarzt, den Kellner und den Beamten, den Lehrer oder den Touristen.  (...)  Und es sind nicht nur die großen, weltbewegenden Dinge, welche Menschen miteinander verbinden oft sind es auch schon kleine Gesten. Es ist die Achtsamkeit, die Hilfe und die Freundlichkeit, um Vorurteile und Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen und eben jene Brücken zu bauen, über die man sicher gehen kann.

Dienstag, 12. April 2011

Die Erinnerungen eines Clowns

Nicht selten haben Clowns etwas aufgeschrieben über ihre Erlebnisse, Erfahrungen, über ihre Sicht auf die Dinge dieser Welt. Die Erinnerungen eines Clowns sind immer von besonderem Interesse, einmal weil der Clown auf seine Weise eine bestimmte Lebensphilosophie verkörpert, zum anderen weil das Publikum gerne wissen möchte, wer hinter dieser Maske steckt: Ist er ein lebenslustiger, ist er ein trauriger Mensch? Woher nimmt er seinen Humor? Oder ist er doch eine Art  Lebenskünstler? 

Was ist der Clown für ein Mensch?

Sicher gibt es heute eine Unmenge falscher Vorstellungen über diesen Beruf, es gibt Klischees, die niemals zutreffen, die sich aber dennoch hartnäckig halten. Und es gibt Verzerrungen und Abarten, die dem Image des Clowns alles andere als zuträglich sind. Man könnte den Clown aufgrund seiner gespielten Naivität für naiv, für einfältig halten. Doch das ist glaube ich eine Unterschätzung. Das Staunen des Clowns vermag scheinbar Selbstverständliches in Zweifel zu ziehen, es hinterfragt  und stellt einige "unumstößliche Gewißheiten" erneut auf den Prüfstand der Vernunft  Ist der Clown nun ein "Querdenker", der abweicht vom "Mainstream"? Nun der Clown wundert sich, und er provoziert damit Heiterkeit. Das so erzeugte Lachen ist gewissermaßen ein Abschied von den falschen Verhaltensweisen der Vergangenheit.  Ganz ähnlich geht es mit der Parodie. Das Schöne daran ist sie ist sehr leicht verständlich. Man lacht und nimmt nicht übel. Also muß der Clown wohl klüger sein, als er sich gibt? Zweifellos! Die Satire bietet viele Möglichkeiten der Erkenntnis. So ist der Clown ein Kritiker, einer, der sich selbst nicht so ernst nimmt, der seine Fehler korrigiert, oder auch nicht. Doch das Publikum versteht es und lacht darüber. Der Clown selbst ist eine Kunstfigur. Doch ohne den Menschen, der dahinter steckt, der seine Lebensfreude und seinen Spaß in diesen Beruf mit einbringt, wäre Clownerie nicht denkbar und wohl auch nicht machbar. 
 
Über eine Abart des Komischen

Eine etwas andere Art von Komik ist die, welche Unaufrichtigkeit und Falschheit ins Lächerliche zieht. Eine solche Rolle ist wohl eher dem Hofnarren zugedacht, der eine gewisse Freiheit besaß, seiner Obrigkeit den Spiegel vorzuhalten. Nicht selten haben kluge Despoten sich Narren zum Berater auserkoren. Der Narr lacht über etwas, was eigentlich abgeschafft werden sollte, und er erntet – ob seiner Ehrlichkeit dafür mitunter sogar die Zustimmung des Hofstaats. Da wird belächelt statt verurteilt, verharmlost statt bekämpft. Und die Sache ist vergessen! Diese Art von Komik ist recht weit verbreitet, denn sie lenkt ab vom Wesentlichen, spielt Gefahren herunter und führt das Publikum in die verkehrte Richtung. Sie führt zum Spaß, anstatt zur Einsicht. So kann der Hofnarr über eigentlich verwerfliche Zustände und über unmenschliche Verhaltensweisen locker herziehen und das Publikum zum Lachen bringen. Er spielt eine etwas zwiespältige Rolle, fürwahr! Hält er jedoch die Obrigkeit zum Narren, verliert er seinen Kopf. Von nicht weniger unguter Art ist auch das Lachen über menschliche Gebrechen. Beides hat mit Clownerie nicht viel zu tun. 

Der Schatten des Clowns

Doch was wäre ein Clown ohne einen Partner. In der Nachbemerkung zum Buch von Max Embden "Im Schatten eines Clowns" schreibt Gisela Winkler:

Erinnerungen eines langjährigen Partners des großen Clowns Grock sind in doppelter Hinsicht reizvoll: Sie ver­mitteln in Anekdoten und gedanklicher Auseinandersetzung ein Bild dieses Künstlers und einen Eindruck von der Zu­sammenarbeit mit ihm. Aber ein zweiter Aspekt erwächst aus dem Vergleich mit Grocks Memoiren, die er in mehreren Fassungen veröffentlichte (1930 unter dem Titel »Grock, ich lebe gern!«, 1951 »Ein Leben als Clown« und 1956 »Nit mö-ö-ö-glich«). In diesen Memoiren geht Grock kaum einmal auf das Problem der Partnerschaft ein, er erwähnt höchstens einmal, wenn er den Partner gewechselt hat. Aus seiner Sicht ist nur die Brauchbarkeit des Mitspielers interessant, dessen eigene Entwicklung scheint für Grock unwichtig. Diese gewisse Ichbezogenheit äußert sich auch in vielen Wider­sprüchen zwischen seinen Memoiren und den Erinnerungen Max Van Embdens.¹

Mit dieser Thematik befaßt sich auch Adam Kuckoff ² in seinem im Jahre 1931 erschienenen Buch "Scherry". Und er kommt dabei zu dem Ergebnis, daß eine gleichberechtigte schöpferische Zusammenarbeit der beiden Künstler nicht möglich sei. Kuckoff ging es dabei weniger um den realen Bezug zu Clown Grock, als vielmehr um die Stellung und die Schaffensproblematik des Clowns an sich unter den Bedingungen der spätbürgerlichen Gesellschaft. So gab Scherry schließlich seine Arbeit auf und zog sich von der Bühne zurück. Eine Konsequenz, die eindeutig den Arbeitsbedingungen und den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldet ist...

Quellenangabe:
¹ Gisela Winkler, Nachbemerkung, in: Max von Emden, 
   Im Schatten eines Clowns, Henschelverlag Berlin, S.106.
³ Gisela Winkler, a.a.O., S. 107.

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Preis: 58,- €

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Gerrit Junghans
Am Mühl 2
07381 Pößneck 
oder: clowngerrit (at) aol.com