Montag, 14. März 2011

Der Spielleiter

Für jede Theaterinszenierung, jede Zirkusvorstellung gibt es einen, der Regie führt, der den Darstellern ihre jeweilige Rolle zuweist und dem ganzen Stück Stil und Ausdruck verleiht. So gesehen ist er der wichtigste Mann. Er tritt aber selbst (im Gegensatz zum Dirigenten) während der Auführung nicht in Erscheinung. Je genauer die Vorbereitung, der Programmablauf konzipiert und einstudiert ist, desto sicherer, lockerer und ausdrucksstärker  ist die Vorstellung, desto größer ist der Erfolg der Akteure.  Das merke ich bei jedem Zirkusprojekt, das ich mit Kindern im Grundschulalter durchführe: ...desto größer ist am Ende der Spaß! Ohne strenge Disziplin ist das allerdings nicht möglich. Aber auch während der Proben kommt der Spaß nie zu kurz. Alexander Tairow beschreibt es so:

Die Theaterkunst ist eine Kunst der Handlung.
Sie wird auf der Bühne durch den Handelnden, durch den Schauspieler verwirklicht, der sich mithin als der einzige und unumschränkte Träger der Theater­kunst erweist.
Welche Rolle fällt nun in diesem Falle dem Spiel­leiter, dem Regisseur zu? Worin bestehen seine Funk­tionen? Worauf beruht seine Notwendigkeit?
Die Theaterkunst ist eine Kollektivkunst.
Die szenische Handlung ist das Resultat der in ihrem Verlauf heranreifenden Kollisionen, das Resultat der zwischen den einzelnen Handelnden oder zwischen Gruppen von ihnen stattfindenden Wechselbeziehungen und Zusammenstöße.
Damit diese Zusammenstöße keinen zufälligen Cha­rakter tragen, damit die szenische Handlung gesetz­mäßig und nicht chaotisch ablaufe, damit sie sich nicht in einander widersprechende, sondern in harmonisch aufeinander abgestimmte Formen ergieße und im End­resultat als ein einheitliches Theaterkunstwerk in Er­scheinung treten, ist augenscheinlich ein Jemand nötig, der dieses Resultat schöpferisch anstrebend die ent­stehenden Kollisionen reguliert und ihnen ihre Rich­tung weist, indem er sie mildert, verstärkt, aufhebt und neu erschafft, um die ganze Handlung zu harmonischer Vollendung zu führen.
Dieser  Jemand  ist der Spielleiter.
Insofern das Theater ein Produkt kollektiven Schaffens ist, insofern braucht es auch einen Spielleiter, des­sen organische Aufgabe darin besteht, das Schaffen der einzelnen Individualitäten zu koordinieren und so eine endliche Harmonisierung zu erreichen.
So war es, so ist es, so wird es sein.
Unter den verschiedensten Masken, unter den ver­schiedensten Benennungen hat es beim Theater stets einen Spielleiter gegeben und wird es ihn auch in alle Zukunft geben, denn sein Dasein wird vom Wesen der Theaterkunst als einer Handlungskunst und eines kol­lektiven Schaffens erfordert.
Der Spielleiter ist der Steuermann des Theaters: Er führt das Schiff der Vorstellung, weicht Sandbänken und Riffen aus, überwindet plötzlich auftauchende Hin­dernisse, kämpft mit Winden und Gegenwinden, läßt die Segel aufsetzen und wieder einziehen und steuert die Vorstellung ihrem vorgesetzten schöpferischen Ziele zu.
Insofern der Spielleiter der Steuermann des Theaters ist, insofern beschränkt er auch zweifellos mehr oder minder die Freiheit aller einzelnen Handelnden.

Quelle:
Alexander Tairow: Das entfesselte Theater, Aufzeichnungen eiens Regisseurs, 1980, Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar, S.90.

Dienstag, 22. Februar 2011

Ansichten über Leben und Sterben

Das Lachen ist im Grunde immer ein Ausdruck der inneren Lebensfreude. Es gehört zum Leben wie die Traurigkeit, wie auch das Weinen. Ohne diese Lebensfreude, ohne Humor fällt das Lachen eben schwer. Aber auch das Leben. Mitunter werden Clowns vor eigenwillige Herausforderungen gestellt, die aber sehr wohl auch mit der Lebenseinstellung zu tun haben, die eine eigene, möglicherweise auch eine ganz ungewöhnliche  Sichtweise herausfordern. Bekanntlich stehen die sogenannten Klinikclowns vor der schwierigen aber doch selbstgewählten Aufgabe, schwerkranke Kinder in Krankenhäusern zu betreuen. Das trifft in ähnlicher Weise auch zu für Clowns, die Patienten am Krankenbett u.a. in Onkologiestationen oder Hospizhäusern besuchen. Eine Aufgabe, die sehr viel Feingefühl erfordert. Sie erfordert Achtsamkeit im Umgang mit anderen.

Ist es nun gewagt, als Clown auch über das Sterben nachzudenken? Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, bei einem Hospizverein einen Vortrag zu halten zum Thema "Sterben und Humor". Hier sind sie nun...

 Meine Ansichten eines Clowns

Über Leben und Sterben

Beides sind zwei Seiten des menschlichen Daseins, und sie sind allgegenwärtig. Auch wenn letzteres uns nur selten oder in außergewöhnlichen Situationen zu Bewußtsein dringt: Wenn ein Mensch stirbt, so vollendet sich sein Leben. Das ist oft genug schmerzlich für ihn und seine Angehörigen, für seine Freunde und Bekannten. Denn nicht selten bleiben unerfüllte Wünsche und Hoffnungen zurück, die der Betreffende nicht mehr realisieren konnte. Doch finden auch sie auf irgendeine Weise ihre Fortsetzung – das Leben, sein Werk und sein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit setzt sich fort. Und was uns bleibt, sind die Erinnerungen an sein Wirken, sein Nachlaß und sein Vermächtnis, welches zu erfüllen und einzulösen uns aufgetragen ist.

Spinoza sagte einst: „Der freie Mensch denkt über nichts weniger als über den Tod, und seine Weisheit ist nicht ein Nachdenken über den Tod, sondern über das Leben.“

Als Clown habe ich den Anspruch, Lebensfreude und Humor zu vermitteln – kurz: das Publikum auf sinnvolle Weise zum Lachen zu bringen. Daß natürlich auch Sterbende auf irgendeine Weise noch mit dem Humor des Lebens verbunden sind, beweist die verantwortungsvolle Arbeit der Klinikclowns auf Kinderkrebsstationen. Und eines ist klar: das betrifft bei weitem nicht nur Kinder, sondern mehr noch die Erwachsenen; es betrifft nicht nur die Sterbenden, sondern nachhaltig vor allem auch deren Angehörige, Eltern und Geschwister, welche natürlich unter dem Dahinscheiden eines geliebten Menschen leiden. So ist in der Tat das Leben die entscheidende Seite jener Medaille, und es hat wenig Zweck, über Versäumtes nachzudenken, wenn man daraus nicht die Konsequenz zöge, es selbst fortan besser zu machen als vielleicht jener, dem diese Chance nicht mehr vergönnt war. Die Nähe des Todes ist so immer auch Anlaß zum Nachdenken über den eigentlichen Sinn des Lebens, den Sinn des eigenen Lebens, selbst wenn für viele Menschen die Gewißheit, einmal sterben zu müssen, fernab und unvorstellbar ist.

So bliebe zu fragen, welche Art von Heiterkeit denn nun angebracht wäre, angesichts des bevorstehenden oder eingetretenen Todes einer nahestehenden Person. Ist sie es überhaupt oder soll man sich ganz der Trauer über den unersetzlichen Verlust hingeben? Mir scheint, Weisheit ist es wohl nicht, den Tod eines Menschen in eine eigene Endzeitstimmung umzumünzen und so den eigenen Schmerz in einen noch allgemeineren Weltschmerz zu steigern, da das die Not eher noch vergrößert. 

Was aber nun ist die Philosophie des Clowns?

Das „Lachen unter Tränen“ bleibt dem Bajazzo vorbehalten, der nur schwer seine wesenhafte innere Traurigkeit zu verbergen vermag. Der Clown hingegen lacht aus Freude, er lacht über seine eigene Ungeschicklichkeit oder über die anderer, er lacht über unerwartete, überraschende Einsichten, und – er bringt vor allem andere zum Lachen. Daß dies einer tiefen Lebensfreude entspringt, ist nur zu logisch, denn Pessimismus oder gar eine fatalistische Einstellung entzögen ihn sehr bald der Gunst seines Publikums.  (G.J.)


Literaturempfehlung:
Kay Blumenthal-Barby, Wenn ein Mensch stirbt, Ausgewählte Aspekte perimortaler Medizin, VEB Verlag Volk und Gesundheit, Berlin (DDR), 1986

Donnerstag, 10. Februar 2011

...das Ende der Kultur

Wo auf der einen Seite des Globus innerhalb von kürzester Zeit gigantische Bauwerke entstehen, die wie Pilze nach einem warmen Regenguß aus dem Boden schießen, wo ganze Städte aus dem Nichts emporwachsen, da verfallen auf der anderen Seite unserer einst so schönen Erde ganze Landstriche, Häuser und Dörfer. Übrig bleibt der Restmüll einer ganzen Generation. Es ist ein unglaublicher Verschleiß an menschlicher Leistung, an genialer Schöpferkraft, angetrieben durch die immense Zauberkraft des modernen Kapitalismus. Genutzt, verbraucht, verworfen! Alles dient nur dem Profit, es zählt nur der Gebrauchswert falls das nicht mehr genügt, dann sorgt sich keiner um den Rest. Sei es wie es ist – nach uns die Sintflut!

Und so zeigt sich auch im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", auf der anderen Seite des großen Teichs, der zunehmende Verfall kultureller Werte was auch immer man darunter verstehen mag. All das, was einst durch Vergnügungen, mit Bars und Music Halls, mit Shopping Malls und durch "Gemuetlichkeit"  belebt war, das steht nur leer. Die hohlen Augen der Fenster glotzen ins Nichts, der Wind pfeift durch die zerbrochenen Fensterscheiben und wirbelt ein paar Fetzen einer übriggebliebenen Gardine umher.

Das ist der Lauf der Zeit, das war's mit der gepriesenen westlichen Kultur unserer "westlichen Wertegemeinschaft"  ...oder wie man es auch nennen will. Es sind dies Bilder aus Detroit, einer US-amerikanischen Metropole, welche dereinst bekannt war durch ihre Massenproduktion an Kraftfahrzeugen –  heute eine verlassene, eine  sterbende, eine gestorbene Stadt. Dem spätbürgerlichen Showbusiness, das noch gebunden war an eine florierende Industrie (die ihre Lebenskraft mitunter sogar  zu einem Drittel aus der Rüstungsproduktion bezog), an belebte Straßen und beleuchtete Fassaden,  an bewohnte Siedlungen, Hochhäuser, Büros und Bankgebäude,  fehlt nunmehr  jegliches Publikum, jegliches Leben. Bibliotheken stehen leer, selbst die Bücher finden keine Leser,  Wohnungen keine Bewohner, Klaviere keine Pianisten, die Bordells keine Mädchen und die Bars keine zahlenden Trinker mehr. Sogar die Clownerie befindet sich in einer sichtbaren Krise. Was Fast-Food-Ketten derweil noch an "künstlerischem" Niveau aufzubieten haben, gerät mehr und mehr zum langweiligen Geplänkel. Überflüssig – wie eben auch jene bis zum Überdruß abgenuddelten Weihnachtslieder in einem Einkaufszentrum zur Winterzeit. Der Überfluß an Waren ist nicht mehr aufzuhalten, die Kaufkraft sinkt, die Ratlosigkeit in den "Führungsetagen" wächst, es folgt die allgemeine Krisenstimmung, worüber auch die wohlwollenden Berichte der Zeitungen nicht hinwegtäuschen können: Die "Tafeln" werden immer länger, die Löhne immer kürzer, und der Bourgeois wird immer fetter. Der Rest hofft auf seine baldige Pensionierung. Was also tun, sprach Zeus?

Mit einem dümmlichen Grinsen schiebt sich die rothaarige Fratze eines Clownsgesichts durch den Türspalt, eine Stimme flötet: "Hallohoo –  Hallöööchen!". Und man ahnt, daß dieser Typ in einer guten Stunde seine miefigen Socken im Sessel vor dem Fernseher ausziehen, und wenig später rülpsend sein lauwarmes Bier hinunterkippen wird. Ob das nun die Erfüllung eines Lebens ist? Man weiß es nicht. Vielleicht denkt dieser bedauernswerte Kerl darüber selber nicht mal nach.

Doch – wie dem auch sei der Zirkus zieht weiter, und auch der Clown muß sich entscheiden: zieht er nun mit, oder bleibt er da. Während sich die Clownerie  derweil noch mit billigen Späßen über menschliche Unzulänglichkeiten und körperliche Gebrechen über Wasser hält, die Artistik das gaffende Publikum mit waghalsigen Tricks ins Schaudern versetzt, und die unsägliche, groß aufgezogene Fernseh-Show mit viel Pomp und Rührseligkeit ein verblödetes Publikum auf die bezahlten Plätze im Parkett verweist, wo man recht nett zu lächeln und brav zu applaudieren hat. Während Schönheit zum Kitsch, und Komik zum Ulk verkommt, und das allgemeine Bildungsniveau in den künstlerischen Berufen ins Bodenlose sinkt,  spürt man nachgerade diesen Hauch von Vergänglichkeit. Und wer ein wenig mehr an Phantasie besitzt, oder wer eben an ein "DANACH" zu glauben imstande ist, der wird sich ganz eilig verabschieden von diesem dekadenten Treiben und alles tun, um ihm sein mögliches Ende zu erleichtern. (G.J.)

Donnerstag, 3. Februar 2011

Der verlassene Zirkus...

von Sewastopol ist schon ein trauriger Anblick. Die Sowjetunion war dereinst in aller Welt bekannt als ein Eldorado der Zirkuskunst. In jeder größeren Stadt, in jedem Rayon dieses riesigen Landes gab es einen volkseigenen Zirkus. Und die Menschen liebten ihre Artisten, ihre Clowns und Zirkuskünstler. Stets waren die Vorstellungen ausverkauft. Die Eintrittskarten kosteten oft nur wenige Rubel und waren für jeden erschwinglich. Die sowjetische Zirkuskunst hatte Tradition. Nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution im Jahre 1917 wurden in der Sowjetunion  zahlreiche neue Zirkusse errichtet. Allein bis zum Jahre 1978 gab es in der Sowjetunion 61 feste Zirkusgebäude teilweise sogar mit Wasserbassin 15 Wanderzirkusse und unzählige freie Artisten, die in Varietés und in den Estradenprogrammen der Kulturhäuser auftraten.

Was aus dieser berühmten sowjetischen Zirkuskunst geworden ist, das zeigen die folgenden Bilder. So sieht es heute aus. Es ist ein verlassener Zirkus der Staatszirkus von Sewastopol (Krim).




















Über den sowjetischen Zirkus
Erstmals wurde der Zirkus als eine echte Kunst anerkannt, die geeignet ist, die Menschen im Geiste der sozialistischen Ideale zu erziehen. Nunmehr nahmen die Zirkuskünstler einen würdigen Platz in der Reihe der sowjetischen Künstlerpersönlichkeiten ein. Im Dekret des Rates der Volkskomissare "Über die Vereinigung der Theater", das von W.I. Lenin am 26. August 1919 unterzeichnet wurde,  wurde das demokratische Wesen des Zirkus bestätigt. Und es wurde festgelegt, daß die Zirkusse von bürgerlichen Banalitäten zu befreien sind. Der Punkt 23 dieses Dekretes besagte: "Die Zirkusse müssen als Betriebe einerseits einträglich, und andererseits für das sie besuchende Publikum demokratisch sein. Insbesondere sollen sie von den ungesunden Elementen befreit und dem künstlerischen Niveau ihrer Programme nach ... den nichtautonomen Theatern angeglichen werden." Im selben Jahre schrieb der Volkskomissar für Bildung, A.W.Lunatscharski, in einem Artikel über "Aufgaben des erneuerten Zirkus" (in der Zeitschrift "Theaterbote", Nr. 3), der sowjetische Zirkus solle die physische Schönheit des Menschen demonstrieren. Er solle scharfsinnige, aktuelle und fortschrittliche satirische Clownerie und Pantomime zeigen, die sowohl der Geschichte, als auch der Phantasie breiten Raum läßt. Der Volkskomissar für Bildung schrieb, daß die große Beliebtheit des Zirkus dazu zwingt, "... über diese Kunstform nachzudenken. Schon allein daher stellt sich die Frage, ob man den Zirkus von überlebten Elementen befreien sollte, offensichtlich über einige veränderte Sichtweisen, zugleich aber auch über die Erhaltung seiner Hauptmerkmale nachdenken sollte. Wenn wir uns den Zirkus näher anschauen, müssen wir sofort die unstreitige Vielgestaltigkeit und den erzieherischen Charakter vieler seiner Bestandteile anerkennen. Der Zirkus ist außergewöhnlich wahrhaftig ... er widerspiegelt die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten." (Lunatscharski A.W., Über die Zirkusse, siehe Ausgew. Artikel, Bd. 1, 1958, S. 458-59).
Quelle: "Kleine Enzyklopädie Zirkus, Moskau 1979, S.16, russ.

Об истории советского цирка
Впервые цирк был признан подлинным искусством, которое призвано воспитывать массы в духе социалистических идеалов. Артисты цирка заняли почётное место в общем ряду деятелей советского искусства. В Декрете Совета Народных Комиссаров "Об объединении театрального дела", подписанном В.И. Лениным 26 Августа 1919, утверждалась демократическая сущность цирка, отмечалось, что цирки должны быть очищены от буржуазной пошлости. В 23-м пункте этого декрета говорилось: "Цирки, как предприятия, с одной стороны , доходные, с другой стороны, демократические по посещающей их публике и особенно нуждающиеся в очищении от нездоровых элементов и в художественном подъёме их программ ... администрируются наравне с неавтономными театрами". В том же годы в статье  "Задача обновленного цирка" (журнал "вестник театра", Nо.3) народный комиссар просвещения А.В. Луначарский писал, что советский цирк должен быть местом демонстрации физической красоты человека, остроумной, злободневной, по преимуществу сатирической клоунады и пантомимы, обращающейся как к истории, так и к фантастике. Нарком просвещения отмечал,  что широкая популярность цирка "...должна была заставить задуматься над этим явлением, уже одна она должна была поставить вопрос, может быть, об очищении цирка, о некотором видоизменении его, но, очевидно, вместе с тем и сохранении его основных черт. Но к тому же, присматриваясь ближе к цирку , мы должны сразу признать бесспорную многозначительности и воспитательный характер многих его главнейших элементов . Цирк есть чрезвычайно правдивое ... зрелище человеческой силы и ловкости" (Луначарский А.В. , О цирках, см. Избр. статьи, т. 1, 1958, с. 458-59).
Смотри: Маленькая энциклопедия "Цирк", Москва 1979, с.16.

Montag, 24. Januar 2011

Die Kunst des plastischen Ausdrucks

Yvette Gilbert (1867-1944) war eine begnadete Sängerin des fin de siècle, der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Es war dies die Zeit einer sich in der westeuropäischen Kultur offenbarenden Verfalls-stimmung, eine Zeit des Tingeltangels, eine Zeit ulkiger, sentimentaler oder nationalistischer Gesänge. Davon unterschied sich die Gilbert sehr deutlich. In ihren Chansons sprach sie aus, was ihr an dieser Zeit als „häßlich, erbärmlich, tadelnswert, unmenschlich und lasterhaft“ erschien. Und sie begeisterte ein Millionenpublikum. Die "Spielregeln" dieser bemerkenswerten Künstlerin sind nicht neu, doch wir können immer wieder von ihr lernen.

1928 erschien von ihr der Essay über "Die Kunst, ein Chanson zu singen", in dem viel Weisheit und Bühnenerfahrung steckt. Darin schrieb sie:
Übertragen auf den Charakter des Clowns bedeutet das, daß es zwischen dem Clownskostüm und dem Typ, der Gestik und Mimik eine Übereinstimmung geben muß. Man kann nicht gegen die "Maske" spielen, ohne damit zugleich auch ihre Wirkung wieder zunichte zu machen.  Und über den Humor, den Sinn für das Komische schreibt sie:

Das ist es auch, wovon gerade die Clownerie lebt. Für Yvette Gilbert  ist  Komik  weit mehr als nur Grimassen zu schneiden oder mit den Augäpfeln zu rollen. Der Sinn für Komik wird gemessen an einem äußerlichen Kriterium, das seine Intensität und Nuancen zeigt: das Lachen!

"Für das 'Komische' braucht man Geist;
für das 'Tragische' Intelligenz und Bildung."
(Yvette Gilbert) 

entnommen aus: Yvette Gilbert, Die Kunst ein Chanson zu singen, Berlin 1981.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Die kuriosen Wandlungen der Mode

Das Kostüm des Clowns war, wie auch die Mode vergangener Jahrhunderte, ständigen Veränderungen unterworfen.  Keineswegs bildeten die Accessoires immer nur "sinnvolle" Verschönerungen oder dienten gar einem bestimmten Zweck. Die Ästhetik der Mode verträgt sich also durchaus mit diversen kunstfertigen, wenn auch zuweilen recht unnützen "Zutaten", die als Blickfang  dienen, um das Erscheinungsbild insgesamt interessanter machen...

Französisch-burgundische Mode
1350-1480

Um die Mitte des 14.Jahrhunderts, mitten in den siegreichen Kämpfen Englands gegen Frankreich (Schlacht bei Crécy) begann in der Kleidung des westlichen Abendlandes, ausgehend von Frankreich, recht eigentlich „die Herrschaft der Schere". Damit war zugleich zum ersten Mal gegeben, was man als Tages- oder Zeitgeschmack bezeichnen kann, mit anderen Worten, die „Mode" im heutigen Sinne. Was sich bis dahin nur schüchtern vorgewagt hatte: das Betonen bestimmter Körperformen durch Zuspitzung oder Verbreiterung; die Gegensätze von Verkürzung, Verengung, Einschnürung einerseits, Erhöhung, Verlängerung, Erweiterung andererseits; zunehmende Entblößung gegen tiefere Verhüllung, das trat jetzt mit größter Entschiedenheit bewußt als neue Mode im Sinne der Stilisierung des Körpers durch das Kleid auf. Mit der neuen Sache kamen auch neue Bezeichnungen dafür in Geltung, z.B. houppelande, ein offener, weiter Überrock mit Ärmeln; die jupe, ein enges Leibchen zum Knöpfen mit kurzen Schößen, das ärmellose surcot oder die cotte hardie; die jacquette (deutsch: Schecke oder Hänslein), ein eng anliegender Knöpfrock mit Ärmeln, der kaum die Oberschenkel erreichte. Denn der bisher über den Kopf gezogene Rock mußte bei seiner Enge vorn aufgeschnitten und mit Knöpfen versehen werden, die hier zum ersten Male für die Tracht erhöhte Bedeutung bekommen. (Der geschlossene Langrock des Mittelalters blieb seitdem nur als Bauernkittel bestehen.) Hose und Strumpf wurden nur noch als durch gehende enganliegende Beinlinge oder Strumpfhosen in einem Stück getragen und damals über die Fußspitzen hinaus als „Schnabelschuhe" (poulaines = Schiffsschnäbel) übermäßig verlängert. Zum letzteren Gehen und zum Schonen der Fußbekleidung zog man spitze hölzerne Unterschuhe (Trippen) mit niedrigen Absätzen und Spannriemen an. Vor allem aber gewinnen die Formen der Kopfbedeckungen bei Mann und Frau große Bedeutung. Der Mann trägt die alte Kapuze des Mittelalters, die „Gugel", mit allerlei modischen Veränderungen. De übliche ältere Trageweise ist so, daß die Kragenkapuze über Kopf und Schultern gezogen (auch vom geknöpft) wurde und der im Laufe der Zeit immer länger werdende Zipfel als langes Ende („Schwanz") auf den Rücken herabhängt. Die Frau trägt die gabelförmige Wulst- oder Hörner-Haube (Hennin) mit Schleier oder breiter Hängeborte, dem türkischen turtur nachgebildet.

Quellenangabe:
Bruhn-Skarbina, Kostüm und Mode, Leipzig 1938, S.18.

Freitag, 7. Januar 2011

Handlungsgründe – Причины действия


Р.Славский писал:
Настоящий мим, где бы он ни был на улице, в трамвае, дома, в кино, чем бы ни занимался обязан все видеть и все, как говорится, "наматывать на ус". Жизнь богата впечатленниями, умей только вглядываться. Вот что писал Станиславский, и это имеет прямое отношение. к творчеству миму, хотя он не пользуется звучащим словом. "...Каждое наше движение на сцене, каждое слово должно быть результатом верной жизни воображения." Если вы сказали слово или проделали что-либо на сцене механически, не зная, кто вы, откуда пришли, зачем, что вам нужно, куда пойдёте отсюда и что там будете делать, - вы действовали как заведенная машина, как автомат.

R. Slawski schrieb:
Ein richtiger Mime ist verpflichtet, wo auch immer er ist auf der Straße, in der Straßenbahn, zu Hause, im Kino alles was er sieht, wie man sagt, in sich aufzunehmen. Das Leben ist reich an Eindrücken, der Verstand muß sie nur aufgreifen. Hier ist, was Stanislawski schrieb, und es hat eine direkte Beziehung zum Schaffen des Mimen, obwohl er das Wort nicht benutzt. "... Jede unserer Bewegungen auf der Bühne, jedes Wort soll in der Vorstellung ein Ergebnis des richtigen Lebens sein." Wenn Sie auf der Bühne etwas gesagt haben oder sie haben etwas mechanisch ausgeführt und wissen nicht, wer Sie sind, woher und warum Sie gekommen sind, was Sie wollen, wohin sie gehen und was Sie dort machen werden, dann handeln Sie wie eine Maschine, wie ein Automat.

Quelle:
R.Slawski, Die Kunst der Pantomime, Moskau 1962, S. 16/17, ru.
Фото: Масель Марсо, "Маятель масок" /  Foto: Marcel Marceau, "Maskenmacher".

Dienstag, 4. Januar 2011

Giorgio Strehler – Brecht hat mir ein Fenster zur Welt geöffnet!

In einem Interview über seine Theaterarbeit mit Brecht wurde Giorgio Strehler einmal gefragt, was das Interessanteste an Brechts Stück "Tage der Commune" sei. Worauf Strehler antwortete:

"Mich interessiert folgender Aspekt: Das Volk wird duch seine Güte und Freundlichkeit leicht zum Spielball der Mächtigen. Die einfachen Leute sind zu harmlos, um zu verstehen, daß die anderen immer 'mitspielen'. Das ist eine große Lehre für uns in unserer heutigen Situation. Wie ist es möglich, die Frage der Macht richtig zu beantworten und trotzdem die Menschlichkeit nicht zu verlieren? Dieses große Thema beschäftigt mich an den 'Tagen der Commune' besonders. Außerdem geht es mir natürlich darum, historisches Wissen und Geschichtsbewußtsein zu fördern."

Sie haben einmal hervorgehoben, Giorgio Strehler, letztlich bestehe der Sinn aller Theaterarbeit darin, die Welt zu verändern. Zu diesem Ziel müssen die Theaterleute mit dem Publikum zusammenarbeiten. Könnte man diesen Grundsatz als Ihr künstlerisches Credo nehmen?

"Natürlich. Wir versuchen immer, uns und das Publikum zu verändern. Um ein neues Theater zu machen, bedienen wir uns der dialektischen Methode. Und mit diesem neuen Theater wollen wir helfen, eine neue Gesellschaft zu erreichen. Brecht ist für mich ein wirklicher Lehrer. Ich habe von ihm nicht nur künstlerische Techniken und Methoden übernommen. Er hat mir eine Weltanschauung gegeben! Durch ihn habe ich die Bedeutung der Kunst in der Gesellschaft verstanden. Brecht hat mir ein Fenster in die Welt geöffnet."

(Februar 1968/ August 1975)

Aus: Dieter Kranz, Positionen, Gespräche mit Regisseuren des europäischen Theaters, Henschelverlag Kunst und gesellschaft, DDR-Berlin, 1981, S.24.

Kommentar: Nun muß man natürlich feststellen, daß sich die Gesellschaft, von der Strehler hier spricht, seitdem gewaltig verändert hat. Verändert zum Nachteil der Mehrheit. Doch immerhin: Brecht verstand es, mit seinem Theater, nicht nur die Zuschaukunst zu entwickeln, sondern er veränderte auch die Kunst der Regieführung. Eben dazu braucht man eine Weltanschauung möglichst eine dialektisch-materialistische, also eine wissenschaftliche. Das hat Giorgio Strehler erkannt. Anders wird auch der Zuschauer nicht verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält (Goethe). Und eine Veränderung der Gesellschaft ist nur dann von Erfolg, wenn das Publikum deren innerste Zusammenhänge und Gesetze durchschaut, wenn es eingreift in den historischen Prozeß, und wenn es ebendiese Gesetze anzuwenden imstande ist...

Sonntag, 2. Januar 2011

Bewegungsformen


In Ihrem Buch "Sprechende Bewegungen" beschreibt die langjährige Dozentin und Tanzwissenschaftlerin an der Theaterhochschule Leipzig in der DDR, Ilse Loesch (1909-2006) , die Wirkung des Schauspielers auf sein Publikum. Sie ist wie auch Brecht das schon ausführlich charakterisierte auf die Art und Weise zurückzuführen, in der der Schauspieler die Gedanken und Absichten des Autors und des Regisseurs zur Wirkung bringt. Ihr Buch gilt auch heute noch als Standardwerk für die Schauspielerausbildung.

Der schauspielerische Gestus...

"Für die Bühne ist die körperliche Bereitschaft des Schauspielers eine der wesentlichen Grundlagen ihrer künstlerischen Wirkung. Der Schauspieler besitzt nur zwei Mittel, um sich auszudrücken: die Sprache und die Bewegung seines Körpers. Zur körperlichen Bereitschaft gehört auch die Fähigkeit, eine ihm zunächst fremde Individualität anzunehmen. Für den Regisseur bedeutet das, daß er sich deren charakteristische Bewegungsweise vorstellen und sie dem Interpreten nahebringen kann. Dazu muß er mit den Grundlagen des Bewegungsstudiums aus eigener Erfahrung vertraut sein, ohne unbedingt die Beherrschung erreichen zu müssen, die der Schauspieler braucht."

Menschliches Verhalten zeitentsprechend inszeniert

"Bei der Inszenierung von Stücken aus unserer Gegenwart kann man erwarten, daß eine Fülle von Beobachtungen und Erfahrungen aus dem Alltagsleben der Beteiligten zusammengetragen und fruchtbar werden. Über ein Milieu aus einer anderen Zeit, einer anderen Gesellschaftsschicht, einem anderen Land muß man sich Kenntnisse und Eindrücke erst verschaffen. Je weiter die Zeit zurückliegt, desto weniger können wir mit so lebensnahen Dokumenten wie Fotos und Filmen rechnen und sind dann auf Berichte und Lehrbücher, Bildwerke und Musiken, Erzählungen und Dichtungen, Baudenkmäler und andere Zeugnisse angewiesen. Selten geben Stückautoren genaue Anhaltspunkte für solche Verhaltensweisen, die in ihrer Zeit so gewohnt sind, daß Erklärungen überflüssig wären. Gewiß, konventionelle Verhaltensweisen halten sich sehr lange, oft länger, als man ihren Sinn noch versteht. Aber Schritt für Schritt passen sie sich doch veränderten Lebensverhältnissen an oder verschwinden. Beim Theaterspielen tritt aber oft das Umgekehrte ein: Weil man die in der Zeit des Stückes üblichen Umgangsformen nicht kennt oder nicht wichtig nimmt, benutzt man heutige oder einfach vorgestrige, die — zur Bühnenkonvention geworden — für historisches Milieu immer zu passen scheinen. Nur hat das mit realistischer Gestaltung nichts zu tun. Wenn es auch nicht um museale Genauigkeit gehen darf, so bieten doch erst Kenntnis und Anwendung zeitentsprechender Verhaltensformen dem Regisseur wie dem Schauspieler Möglichkeiten einer dem künstlerischen und damit gesellschaftlichen Anliegen entsprechenden Interpretation und Darstellung. Sie können sich aufgrund dieser Kenntnisse die Lebensweise der Menschen in der betreffenden Zeit lebhafter vorstellen, können bestimmte Züge einer Figur oder der Beziehung von Partnern zueinander durch typische Verhaltensweisen besonders herausheben, sie dem heutigen Zuschauer als fremd, überlebt oder noch immer gut bekannt zeigen.

Die Kunst der Nachahmung

"Manche Formen der Haltung, der Bewegungsweise und speziell der Gestik helfen dem Schauspieler — wenn er sie zur Vorbereitung auf die Arbeit an der Rolle nachahmt — auch dabei, sich in das Leben der Spielperson hineinzuversetzen. Je besser Schauspieler und Regisseur in diesen Formen bewandert sind, je mehr sie davon wissen, gesehen und ausprobiert haben, desto treffender können sie sie zur Formung des gesamten Verhaltens verwenden."

Quelle:
Ilse Loesch, Sprechende Bewegung, Henschelverlag Berlin, 1974, S.20.