In einem Interview über seine Theaterarbeit mit Brecht wurde Giorgio Strehler einmal gefragt, was das Interessanteste an Brechts Stück "Tage der Commune" sei. Worauf Strehler antwortete:
"Mich interessiert folgender Aspekt: Das Volk wird duch seine Güte und Freundlichkeit leicht zum Spielball der Mächtigen. Die einfachen Leute sind zu harmlos, um zu verstehen, daß die anderen immer 'mitspielen'. Das ist eine große Lehre für uns in unserer heutigen Situation. Wie ist es möglich, die Frage der Macht richtig zu beantworten und trotzdem die Menschlichkeit nicht zu verlieren? Dieses große Thema beschäftigt mich an den 'Tagen der Commune' besonders. Außerdem geht es mir natürlich darum, historisches Wissen und Geschichtsbewußtsein zu fördern."
Sie haben einmal hervorgehoben, Giorgio Strehler, letztlich bestehe der Sinn aller Theaterarbeit darin, die Welt zu verändern. Zu diesem Ziel müssen die Theaterleute mit dem Publikum zusammenarbeiten. Könnte man diesen Grundsatz als Ihr künstlerisches Credo nehmen?
"Natürlich. Wir versuchen immer, uns und das Publikum zu verändern. Um ein neues Theater zu machen, bedienen wir uns der dialektischen Methode. Und mit diesem neuen Theater wollen wir helfen, eine neue Gesellschaft zu erreichen. Brecht ist für mich ein wirklicher Lehrer. Ich habe von ihm nicht nur künstlerische Techniken und Methoden übernommen. Er hat mir eine Weltanschauung gegeben! Durch ihn habe ich die Bedeutung der Kunst in der Gesellschaft verstanden. Brecht hat mir ein Fenster in die Welt geöffnet."
(Februar 1968/ August 1975)
Aus: Dieter Kranz, Positionen, Gespräche mit Regisseuren des europäischen Theaters, Henschelverlag Kunst und gesellschaft, DDR-Berlin, 1981, S.24.
Kommentar: Nun muß man natürlich feststellen, daß sich die Gesellschaft, von der Strehler hier spricht, seitdem gewaltig verändert hat. Verändert – zum Nachteil der Mehrheit. Doch immerhin: Brecht verstand es, mit seinem Theater, nicht nur die Zuschaukunst zu entwickeln, sondern er veränderte auch die Kunst der Regieführung. Eben dazu braucht man eine Weltanschauung – möglichst eine dialektisch-materialistische, also eine wissenschaftliche. Das hat Giorgio Strehler erkannt. Anders wird auch der Zuschauer nicht verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält (Goethe). Und eine Veränderung der Gesellschaft ist nur dann von Erfolg, wenn das Publikum deren innerste Zusammenhänge und Gesetze durchschaut, wenn es eingreift in den historischen Prozeß, und wenn es ebendiese Gesetze anzuwenden imstande ist...
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