Freitag, 8. August 2008

Die Show gerettet...

Es war Sonntagabend. Vor dem Auftritt hatten wir die große Bühne am Marktplatz von Praia de Vitória noch beräumt und einen alten schwarzen Vorhang entfernt. Endlich war es 22 Uhr – schon nicht mehr ganz so heiß wie am Tage. Etwa 300-400 Besucher hatten auf den Stühlen vor der Bühne Platz genommen, einige standen. Die Internationale Clowns Show konnte beginnen. Mit viel Tempo und Charme zeigten die M-Brothers ihre Jonglage mit Bällen und Diabolos, dann kamen Clowns aus Belgien, Dänemark und England. Doch allmählich verbrauchte sich der Anfangsschwung. Drei komische Clowns schubsten auf der Bühne nur noch herum – die Show wurde schlecht. "I hate clowns" (ich hasse Clowns) - so dachte ich. Der vorletzte im Programm war ich. Nach mir kam noch ein Amerikaner mit einer musikalisch-untermalten Zirkusnummer. Doch immerhin – die Leute blieben alle auf ihren Stühlen sitzen.

Nun war ich dran - wie man so sagt - und sollte das Programm mit meiner Darbietung wenigstens ein bißchen aus dem Minus herausreißen. Allerdings hatte ich kurzfristig noch etwas geändert: meine Masken waren aus Transportgründen zu Hause geblieben. Ich kam also auf die Bühne, hatte mich – wie man das als Clown so macht – mit meiner Konzertina auf die Stuhllehne gesetzt und ein paar Töne gespielt, als aus einer Seitengasse mit lautem „Um-ta-ta“ ein Straßenorchester herangezogen kam. Der Zwischenfall erschien mir nicht ganz unwillkommen. Natürlich war an eine Fortsetzung der Vorstellung nicht mehr zu denken. Da ergriff ich kurzerhand mein „imaginäres“ Fernglas und schaute interessiert zu jener Ecke, wo die Kapelle gleich auftauchen würde. So war es dann auch. Ich winkte und hüpfte sichtbar vor Begeisterung. Die Zuschauer erhoben sich von ihren Plätzen und taten es mir nach. Einige stiegen ebenfalls auf ihre Stühle und guckten. Nun ging ich von der Bühne herunter und mußte herzlich lachen: „It rained in my Parade!“ (Es hat in meine Parade geregnet.) Sollen wir nun weitermachen oder nicht? Clown Bluey, der die Regie hatte, meinte: Unbedingt!

Das Blasorchester zog von dannen. Ich stieg also wieder hinauf auf die Bühne und setzte mich auf meinen Stuhl. Da geschah es: Ich hob ich den Finger an den Mund und – plötzlich war, wie durch einen Zauber, Ruhe auf dem Markt. Nun konnte ich mit neuem Schwung mein Programm ungestört zu Ende bringen. Ich bekam den meisten Applaus, und hinter der Bühne fielen die Kollegen mir begeistert um den Hals und gratulierten mir. Die Show war gerettet! (6. August 2008)

Mittwoch, 25. Juni 2008

Freitag, 20. Juni 2008

"Прощание" Slawa Polunin


Das ist Slawa Polunin. Meiner Meinung nach der beste, der poetischste Clown unserer Zeit. Eine Szene aus seinem Poem "Snow Show" - ich erinnere mich: Es war im März 1985, als ich Slawa in Leningrad traf...

Mittwoch, 18. Juni 2008

Das war's.



















Nu helfn Se mir doch mal!
Ну - помогите!

Wie ich Clown geworden bin...

Dieses kleine Plakat ließ Clown NUK anläßlich seines Auftritts
im Deutschen Theater drucken:























Foto: Archiv Gisela Spillner

Комический конфликт - Komik.

Лучшие номера музыкальной эксцентрики всегда построены на комическом конфликте. "Музыкальные инструменты являются моими партнёрами и в то же время противниками. Они считают меня глупцом, а я стараюсь их перехитрить", - рассказывает о своём творческом принципе популярный на Западе немецкий эксцентрик Нук. (страница 70, Искусство КЛОУНАДЫ, издательство Искусство, Москва 1969г.)

Sinngemäß übersetzt heißt das: Die besten Nummern eines Musikal-Clowns sind immer auf einem komischen Konflikt aufgebaut. "Die Musikinstrumente sind meine Partner und manchmal auch meine Wiedersacher. Sie halten mich zum Narren und ich versuche sie zu überlisten", erzählt der im Westen bekannte deutsche Exzentrikclown Nuk über sein Schaffensprinzip. (Die Kunst der Clownerie, Verlag der Kunst, Moskau, 1969, S.70 russ.)

Clown zu sein lernt man nicht...

Das folgende stimmt ganz gut mit meiner Auffassung überein:

"In der Literatur, der Oper und Operette gibt es das Klischee, der Clown sei im Privatleben in Wahrheit ein ständig schwermütiger Mensch, der auf der Bühne und nach außen dennoch immer den Spaßmacher spielen müsse. Wie die meisten Vorurteile und Standardmuster hören sie sich zwar gut an, doch haben sie mit der Wirklichkeit des einzelnen selten etwas zu tun - und mit mir überhaupt nichts."


"Clown zu sein lernt man nicht, man ist einer und wird - wenn man daran arbeitet und es gut geht - ein immer besserer."

(Georg Spillner, Clown NUK - die Maske hat mich frei gemacht, S.31)

Das freie Künstlerleben...

Wer NUK erlebt hat, der weiß, daß er immer sehr ernsthaft an seiner Darbietung arbeitete. Er war überdies ein Bastler, der immer neue Tricks in seinem Keller ausprobierte, und der erst zufrieden war, wenn alles perfekt funktionierte. Im Heimatmuseum von Kahla hat man ihm eine kleine Ausstellung gewidmet. Das nachfolgende Zitat kennzeichnet sehr genau seine Einstellung zur Kunst:

...Überhaupt gehört die Vorstellung vom "lustigen Künstlervölkchen", das sorg- und gedankenlos durchs Land gondelt und den lieben Gott einen guten Mann sein läßt, ins Reich der Fabel. Das genaue Gegenteil ist richtig: Wir hatten strenge Termine, die unter empfindlichen Vertragsstrafen standen. Ordnung und Einhaltung von Regeln waren unabdingbar.


Kranksein zum Beispiel konnten wir uns oft gar nicht leisten. Aber zum Glück hilft uns manchmal eine Kraftquelle der besonderen Art. Ich erinnere mich einer Verpflichtung im Pariser OLYMPIA. Seit Tagen schleppte ich mich mit einer Lungenentzündung herum, ich war halb ohnmächtig und hatte an die 40 Grad Fieber. Aber es blieb mir nichts anderes übrig, ich setzte mich in den Zug und fuhr nach Paris. Sobald ich die Bühne betrat, waren alle Schwächen, Schmerzen und Krankheit wie verflogen, ja - ich hatte sogar das Gefühl, besonders gut, fast schwerelos zu sein. Nach einer schwierigen Operation im Krankenhaus Feldafing sagte ich meinem Arzt nur: "In vier Wochen muß ich hier wieder raus sein." Und genauso geschah es.

(Georg Spillner - Clown NUK, Die Maske hat mich frei gemacht, S.65)
Foto: G.J. - Ausstellung Clown NUK im Rathaus Kahla

Dienstag, 10. Juni 2008

Brecht und das Theater heute

Ich meine, daß die Bewahrung der Brechtschen Arbeitsweise sehr wichtig ist. Wie hat er das Publikum damals erreicht? Wie ist er in die Betriebe gegangen, um in den Leuten eine Zuschaukunst zu entwickeln? Wie betrachtete er die aktivierende Rolle der Theaterbewegung? Wie baute er ein Stück dramaturgisch auf? Wie gestaltete er den "Arturo Ui" völlig anders als "Furcht und Elend des Dritten Reiches"? Daß man an zwei verschiedenen Abenden zwei grundsätzlich andere Aspekte des Faschismus sehen konnte - woraus sich die erste, die volle, die größere Wahrheit ergab? Das, meine ich, muß weitergeführt werden, weil es eine wissenschaftliche, dialektische, künstlerische Methode ist und weil es noch keine bessere gibt, mit der man interessanteres, lebendigeres Theater machen könnte. (Wekwerth, Theater in Diskussion, Berlin, 1982, S.197)

Clown und Zeit - Клоун и время

Berühmte Clowns haben Nummern, mit denen sie jahrelang auftreten, und das Publikum kennt sie zwar schon auswendig, lacht aber trotzdem, als sähe es sie zum ersten Mal. Weil es nämlich nicht um den Gag geht und auch nicht einmal um die Handlung, sondern um die assoziative Ladung und Tiefe der besten Nummern. Je umfassender der Assoziationsbereich ist und je tiefer diese Assoziationen die Mentalität der Zeitgenossen berühren, um so länger leben sie. Zuweilen klagen die Zuschauer, im Zirkus würden Clownerien gezeigt, die schon unsere Großeltern gesehen hätten. Häufig sind diese Klagen unberechtigt. Diese Themen, Sujets und Gags scheinen tatsächlich dieselben zu sein, jedoch ihre Wendungen und Charaktere ändern sich, und auch die Themen enthalten andere Informationen. (Rumjanzewa, Clown und Zeit, Bеrlin, 1989, S. 12f.)

У клоунов есть репризы, с которыми они выступают по многу лет. Но публика, знающая их наизусть, тем не менее смеется, как будто видит впервые. Потому что дело не в трюке, который лежит в основе номера, и даже не в сюжете, а в ассоциативной наполненности и глубине лучших клоунад. И чем шире круг ассоциаций, чем глубже они затрагивают психологию современников, тем дольше живут. Иногда зрители сетуют, что в цирке показывают клоунады, которые видели еще наши бабушки. Но часто эти сетования бывают несправедливы. Действительно, темы, сюжеты, трюки как будто те же, однако повороты и характеры этих сюжетов меняются и сами темы наполняются иной информацией. (Румянцева, Клоун и время, М.1989, стр.10)