Montag, 5. Oktober 2009

Gedanken über das Lachen

Sehr oft gibt es in der heutigen Unterhaltungsindustrie sogenannte "Comedy"-Szenen, bei denen die Zuschauer lachen. Mitunter wird sogar im Hintergrund eines Films oder einer Aufzeichnung Gelächter eingeblendet, um so den Anschein zu erwecken, daß diese Szene komisch sei. Doch nichts liegt ferner als das. Es wird hier eine Einmütigkeit suggeriert, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Mit Komik und Humor hat das alles nicht viel zu tun. Diese Art von Unterhaltung ist im Grunde wertlos, auch wenn das Publikum sich amüsiert. Darüber mokierte sich schon Hegel, als er schrieb: "...einem solchen Volke ist nicht zu helfen; es löst sich in seiner Torheit auf."

Ein dummes Lachen
Wenn über Unsinniges und Albernes gelacht wird, so ist das meist ein recht einfältiges Lachen. Allein der Widerspruch zur Realität ist ja noch nicht komisch. Selbst dummes, falsches oder unmoralisches Verhalten ist für sich genommen noch nichts Komisches. Oft wird auch Lächerliches und Komisches miteinander verwechselt. Und leicht gleitet das Einfache und elementar Komische in die Banalität ab. Hier zitieren wir wiederum Hegel: "Überhaupt läßt sich nichts Entgegengesetzteres auffinden, als die Dinge, worüber die Menschen lachen. Das Plattste und Abgeschmackteste kann sie dazu bewegen..."*

Worauf es beim Lachen ankommt
Wie läßt sich das nun erklären?
Ist es nicht gleich, worüber wir lachen? Ist dem verehrten Publikum das Lachen nicht zu gönnen? Muß denn der Spaß erst ein bestimmtes Niveau haben, um wirklich komisch zu sein? Ja, so ist es. Hämisches, zynisches oder abfälliges Lachen, ja sogar "Schadenfreude", ist eine üble Auslassung über Andere, über selbst Unbeteiligte, die oft sogar einen feindlichen Charakter trägt. Echte Heiterkeit hingegen resultiert aus der Lebensfreude. Sie setzt Gelassenheit (also Humor) voraus und erfordert das Vorhandensein eines gesellschaftlichen Ideals (nämlich der Zuversicht), und das nicht nur beim Betrachter. Nimmt man das Elementarkomische einmal heraus, welches - wie wir gesehen hatten - freilich auch Lachen hervorbringt, so ist die Reaktion auf ein Ereignis, und folglich auch das Lachen, sozial bedingt durch das Verhalten der Menschen zueinander. Es widerspiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse, welche die Menschen untereinander eingehen. Sind sie feindlich, so ist das Lachen boshaft, sind sie hingegen freundlich, so ist auch das Lachen voller Humor. Die Ansichten des Publikums über einen Vorgang sind also unmittelbar verbunden mit dem Urteil über den betreffenden Gegenstand und die jeweilige Situation. Und das Lachen hängt jeweils davon ab, in welcher Position der Zuschauer sich befindet, welches Erkenntnisniveau er besitzt, worauf er emotional reagiert und nicht zuletzt, wie er in der Lage ist, die damit verbundenen Informationen zu verarbeiten. Schließlich gilt: Je freier der Mensch in Bezug auf seine eigenen Verhältnisse, um so ungezwungener klingt auch sein Lachen.

Wem das Lachen vergeht
So wie es das dümmliche Lachen gibt, dem jede Albernheit gelegen kommt, so gibt es natürlich auch Dinge, die schon nicht mehr komisch sind, obwohl sie dem Publikum als "komische Darbietung" verkauft werden.
Ein Sarkasmus hat manchmal die Eigenschaft, daß einem das Lachen im Halse steckenbleibt. Man findet solche "Späße" bald nicht mehr lustig. Ähnlich geht es dem Publikum auch bei einem Bajazzo. Dieser handelt im Grunde gegen sein eigenes inneres Empfinden. Sein Lachen ist maskenhaft und unnatürlich. Eine andere, höchst verwerfliche Darstellung finden wir auch bei den heute in minderwertigen Kriminalfilmen verwendeten Clownsmasken. Diese Zweckentfremdung einer ansonsten komischen Figur ist ein übelster, kulturfeindlicher Zynismus.

Der wahre Clown
hingegen ist das Enfant terrible der dramatischen Kunst. Er muß ein Gespür für die Komik haben. Denn er sagt, was er denkt. Und er muß das Wesentliche einer Sache erkennen. Oft wirkt der Clown dabei ein bißchen umständlich und vielleicht sogar unfreiwillig komisch. Der Clown ist humorvoll und heiter. Und oft sind es harmlose, doch ehrliche Späße, mit denen er sein Publikum zum Lachen bringt. Höchste Kunst ist es indessen, wenn es ihm gelingt, die Wirklichkeit satirisch zu entlarven. Hier beginnt der eigentliche künstlerische Schaffensprozeß: Er zeigt, was "die Welt im Innersten zusammenhält", und er zeigt, was es Komisches in der Realität gibt, um es auf seine Art zu reflektieren. So sollte ein Clown, selbst wenn er lediglich mit elementarkomischen Mitteln und Situationen arbeitet, seine künstlerischen und ästhetischen Maßstäbe sehr hoch ansetzen. Denn oft erschließt sich die Komik erst aus der konkreten Situation. Schließlich ist der Humor keine absolute Größe. Man kann ihn beim Publikum nicht immer voraussetzen, und man kann ihn auch nicht einfordern. Er hat seine historischen Wurzeln, er setzt Interessengleichheit voraus, und er verlangt zudem eine gewisse Intelligenz.

P.S. Fast hätte ich's vergessen: ein Kinderlachen ist das unschuldigste von allen. Es ist von Sorgen frei und ohne Arglist... und es ist - so wie R. Schernikau schreibt - die gelungene Erkenntnis, daß etwas nicht stimmt - die Wirklichkeit. (G.J.)


* Georg Wilhelm Hegel, Ästhetik, Bd. I, Aufbau-Verlag, Berlin - Weimar 1965, S. 552

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