Mittwoch, 28. Oktober 2009

100 Millionen Bücher

Nach Schätzungen landeten zwischen 1990 und 2000 in der Bundesrepublik Deutschland rund 100 Millionen in DDR-Verlagen gedruckter Bücher auf der Müllhalde.

Schon 1960 gab es im "Leseland DDR" rund 18 000 staatliche Allgemein- und Gewerkschaftsbibliotheken – mit einem Buchbestand von 18 Millionen Büchern und mit 50 Millionen Entleihungen jährlich. (Bis 1986 hat sich die Zahl der Entleihungen sogar mehr als verdoppelt!) Die Ausleihe war generell kostenlos; Bücher waren im Vergleich zur damaligen Bundesrepublik spottbillig. Ferner existierten 33 wissenschaftliche Bibliotheken. 80 Verlage stellten in der DDR Bücher her. So wurden in den Jahren von 1949-89 rund 350 000 Titel verlegt. Nach dem Anschluß an die BRD wurden die Bestände der großen Bibliotheken in den ehemaligen Bezirks- und Kreisstädten "bereinigt". Unzählige kleine Büchereien in Gemeinden, FDGB-Ferienheimen, Altersheimen, Betrieben und Einrichtungen wurden liquidiert.
Die vorhandenen Bücherbestände wurden "entsorgt" und verschwanden in Mülltonnen und Containern, landeten auf Müllhalden oder sie kamen zum Altpapier und wurden geschreddert. Darunter waren auch massenweise Bücher folgender Autoren:

Heinrich Heine, Thomas Mann, Carl von Ossietzky, Bertolt Brecht, Ernest Hemingway, George Grosz, Käthe Kollwitz, Heinrich Mann, Erich Mühsam, Kurt Tucholsky, Pablo Neruda, Egon Erwin Kisch, Lion Feuchtwanger, Martin Andersen Nexö, Anton Makarenko, Ingmar Bergmann, Arkadi Gaidar, Nikolai Ostrowski, PeterHacks, Johannes R.Becher, Ludwig Renn, Erik Neutsch, Bruno Apitz, Kurt Barthel, Herrmann Kant, Dieter Noll, Stefan Hermlin...

Doch es gab auch andere Beispiele. Allein der Schauspieler Peter Sodann rettete als Intendant des "Neuen Theaters" in Halle/Sa. über eine Millionen Bücher (Peter-Sodann-Bibliothek Staucha) seiner Heimatstadt vor der Müllhalde. Der evangelische Theologe Peter Franz sammelte in seinem Haus in Taubach bei Weimar etwa 7 500 Bücher, die dort auch kostenlos ausgeliehen werden können. (G.J.)

Und noch etwas: am 21.09.1990 schrieb "Die Zeit"unter der Schlagzeile "Bücher vereinigt euch!" zu diesem unvergleichlichen Vorgang der Büchervernichtung: "Na endlich. Auf der ersten Seite fast aller Zeitungen dürfen wir lesen: 'Guter Gipfel beim Kanzler.' Helmut Kohl versichert, 'daß alle Ansprüche, rund hundert Millionen, erfüllt werden'. Schließlich wolle er nicht als 'Totengräber' der Kultur in die Geschichte eingehen."
Wußten Sie schon, daß die BRD ein Kulturstaat ist?

P.S. in der DDR (1986) gab es 14 384 Staatliche Allgemeinbibliotheken mit 46,6 Millionern Büchern, außerdem 3 884 Gewerkschaftsbibliotheken mit 5,4 Millionen Büchern. Zum Vergleich: heute gibt es im "Land der Dichter und Denker" (BRD) lediglich 8 393 Öffentliche Bibliotheken. (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2009)

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