Sonntag, 13. Oktober 2013

Richard Wagner: Über die Freiheit in der Kunst


Richard Wagner (1813-1883) war einer der größten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts. Sein Werk weist trotz aller in ihm ungelösten Widersprüche weit über die Begrenzung seiner Epoche hinaus. Darüberhinaus befaßte er sich auch mit philosphischen Fragen. In seinem Traktat über "Kunst und Revolution" geißelt er mit scharfen Worten das "Elend des Handwerkertums" und die "Tagelöhnerei" in der Kunst. Die Bemühungen um eine realistische Aneignung seines Schaffens dauern noch immer an.
Mihail Eminescu (1850-1889): Richard Wagner
Klara Zetkin macht uns auf diese zeitgenössische Abhandlung Richard Wagners aufmerksam. Sie schreibt:
Nur wenn sich die Arbeit vom Joche des Kapitalismus befreit, nur wenn damit die Klassengegensätze in der Gesellschaft aufgehoben werden, nimmt die Freiheit der Kunst Leben und Gestalt an, kann der künstlerische Genius frei die höchsten Flüge wagen. Vor der Sozialdemokratie hat das ein Berufener im Reiche der Kunst erkannt und verkündet. Richard Wagner. Seine Abhandlung "Kunst und Revolution", bleibt ein klassisches Zeugnis dieser Auffassung. Dort heißt es: "Laßt uns aufsteigen von dem Elend des Handwerkertums mit seiner bleichen Geldseele zu dem freien künstlerischen Menschentum mit seiner strahlenden Weltseele; aus mühselig beladenen Tagelöhnern der Industrie wollen wir alle zu schönen, starken Menschen werden, denen die Welt gehört, als ein ewig unversiegbarer Quell des höchsten Genusses." 

Klar zeigte Wagner auf die Wurzel hin, aus der "das Elend des Handwerkertums"  emporwächst, die "Tagelöhnerei der Industrie". Hören wir ihn: "Solange in einem Volke alle Menschen nicht gleich frei und glücklich sein können, müssen alle Menschen gleich Sklaven und gleich elend sein." Wagner antwortet auch unzweideutig auf dei Frage, wie die gleiche Sklaverei für alle überwunden, wie ein freies, künstlerische Menschentum für alle erblühen könne. Er sagt: "Der Zweck der geschichtlichen Entwicklung ist der starke Mensch, ist der schöne Mensch: die Revolution gebe ihm die Stärke, die Kunst die Schönheit."

Aus dieser Äußerung geht – nebenbei bemerkt – hervor, daß der schöne und starke Mensch, den Wagner ersehnte, nicht die vielberufene "Persönlichkeit" des Individualismus ist, nicht die blonde Bestie des Übermenschen, sondern die harmonisch entfaltete Persönlichkeit, die sich mit dem Ganzen untrennbar verbunden, die sich als eins mit ihm fühlt. Die Revolution ist die Tat der Massen, und die höchste Kunst wird immer Ausdruck geistigen Massenlebens sein. 

Wir wissen, daß die soziale Revolution, welche mit der Arbeit auch die Kunst befreit, das Werk des kämpfenden Proletariats sein muß. Aber das kämpfende Proletariat reicht der Kunst mehr als diese Zukunftsverheißung. Sein Ringen, das Bresche auf Bresche in die bürgerliche Ordnung legt, bahnt neuen künstlerischen Entwicklungsmöglichkeiten die Wege und verjüngt die Kunst durch einen neuen Gedankeninhalt, der über das geistige Leben der bürgerlichen Ordnung hinausreicht und künftiges Menschheitsleben ist. 

Soweit Klara Zetkin in ihrem Vortrag über "Kunst und Proletariat", gehalten am ersten Künstlerabend des Bildungsausschusses der Stuttgarter Arbeiterschaft. Stuttgart 1921. Und nicht nur Klara Zetkin wußte, daß dies durchaus keine Utopie ist...

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