Sonntag, 30. August 2009
Ich wäre gern weise
Правда, я ещё могу заработать себе на хлеб,
Но верьте мне: это случайность. Ничто
Из того, что я делаю, не даёт мне права
Есть досыта.
Я уцелел случайно. (Если заметят мою удачу — я погиб.)
Мне говорят: — Ешь и пей! Радуйся, что у тебя есть пища!
Но как я могу есть и пить, если
Я отнимаю у голодающего то, что съедаю, если
Стакан воды, выпитый мною, нужен жаждущему?
И всё же я ем и пью.
Я бы хотел быть мудрецом.
В древних книгах написано, что такое мудрость.
Отстраняться от мирских битв и провести свой краткий век,
Не зная страха.
Обойтись без насилья.
За зло платить добром.
Не воплотить желанья свои, но о них позабыть.
Вот что считается мудрым.
На всё это я не способен.
Право, я живу в мрачные времена.
(Бертольт Брехт)
Es ist wahr: ich verdiene noch meinen Unterhalt
Aber glaubt mir: das ist nur ein Zufall. Nichts
Von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich sattzuessen.
Zufällig bin ich verschont. (Wenn mein Glück aussetzt,
bin ich verloren.)
Man sagt mir: Iß und trink du! Sei froh, daß du hast!
Aber wie kann ich essen und trinken, wenn
Ich es dem Hungernden entreiße, was ich esse, und
Mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt?
Und doch esse und trinke ich.
Ich wäre gern auch weise.
In den alten Büchern steht, was weise ist:
Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit
Ohne Furcht verbringen
Auch ohne Gewalt auskommen
Böses mit Gutem vergelten
Seine Wünsche nicht erfüllen, sondern vergessen
Gilt für weise.
Alles das kann ich nicht:
WIRKLICH, ICH LEBE IN FINSTEREN ZEITEN!
(Ber tolt B r e c h t)
Donnerstag, 27. August 2009
Für mich....
...ist Glück ein Zustand höchster Zufriedenheit mit den Dingen, mit Situationen, Beziehungen usw., der sich mit der Freude darüber mischt, das im Leben Ersehnte, Erstrebte oder Erkämpfte erreicht zu haben. Und darin widerspiegelt sich natürlich auch meine Vorstellung, die ich mir vom Sinn des Daseins mache. Dieser Sinn ist weder käuflich, noch fällt er einem in den Schoß. Gebunden ist ein sinnerfülltes Leben allerdings an produktive Arbeit und die daraus resultierende Anerkennung meiner Leistungen.
Schließlich ist das Glück des einzelnen auch аbhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen, unter denen er lebt. Seine gesellschaftliche Stellung und von die daraus erwachsenden Möglichkeiten, seine persönlichen Interessen zu verwirklichen, haben entscheidenden Anteil an einem glücklichen und sinnerfüllten Leben. (G.J.)
Для меня счастье - это состояние наивысшего удовлетворения с вещями, ситуациями, отношениями и т.д., которое вмешивается с радостью по поводу того, чтобы я достигал ожидаемые, стремившие или добитые дела в моей жизни. И там, конечно, отражается также мое представление, которое я берусь от смысла существования. Этот смысл ни продается, ни получаешь в подарок. Однако, связкам наполненная смыслами жизнь является в производительную работу и следующее из этого признание моих услуг.
Счастье отдельного зависит от общественных отношений, при которых он живёт. Его общественное положение, его классовая принадлежность, и вытекающие из этого возможности, чтобы он может осуществлять свои личные интересы, имеют решающее значение для счастливой и смыслы-наполненной жизни. (G.J.)
Schließlich ist das Glück des einzelnen auch аbhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen, unter denen er lebt. Seine gesellschaftliche Stellung und von die daraus erwachsenden Möglichkeiten, seine persönlichen Interessen zu verwirklichen, haben entscheidenden Anteil an einem glücklichen und sinnerfüllten Leben. (G.J.)
Для меня счастье - это состояние наивысшего удовлетворения с вещями, ситуациями, отношениями и т.д., которое вмешивается с радостью по поводу того, чтобы я достигал ожидаемые, стремившие или добитые дела в моей жизни. И там, конечно, отражается также мое представление, которое я берусь от смысла существования. Этот смысл ни продается, ни получаешь в подарок. Однако, связкам наполненная смыслами жизнь является в производительную работу и следующее из этого признание моих услуг.
Счастье отдельного зависит от общественных отношений, при которых он живёт. Его общественное положение, его классовая принадлежность, и вытекающие из этого возможности, чтобы он может осуществлять свои личные интересы, имеют решающее значение для счастливой и смыслы-наполненной жизни. (G.J.)
Dienstag, 25. August 2009
Vom Glück
Wir hatten sehr wenig zum Leben, fast nichts - aber empört hätten wir von uns gewiesen, daß wir "arme Leute" seien. Wir waren keine "armen Leute". Wir brauchten weder Mitleid noch Wohltätigkeit. Das hätte uns angewidert, denn wir waren glücklich. Glück haben, das kann heißen, daß man Erfolg hat, daß alles Unternommene gut ausgeht, daß glückliche Umstände das Leben leicht machen, daß man verschont wird. Aber solcherart war unser Glück nicht. Wir wurden nicht verschont, und leicht wurde es uns nicht gemacht , auch Erfolg mit der daraus strömenden Geldfülle hatten wir nicht im geringsten. Gewiß hätten wir viele Wünsche haben können, aber wir verschwendeten an unerfüllbare Wünsche keine Kraft. Wir halfen uns, so gut wir konnten, und aus der Erkenntnis der großen allgemeinen Situation nahmen wir die unsere hin. Wir waren glücklich, denn wir lebten so, wie wir es für richtig fanden. Alles was wir taten, taten wir mit ganzem Herzen und mit aller Kraft, aus unserem eigenen freien Willen.
Wie wir dachten, so handelten wir. Und wie wir dachten und handelten, so wollten wir auch malen und zeichnen. Unser Leben sollte ganz klar und eindeutig und eins sein. So lebten wir, und deshalb waren wir glücklich, und das "Haben" spielte bei uns keine Rolle. Wir haben niemals den geringsten Neid empfunden, wie wir Luxus und Eleganz sahen. Unser Leben war von uns geformt und gewollt. Wie viele Menschen können das von ihrem Leben sagen?
Lea Grundig, Gesichte und Geschichte, Dietz Verlag Berlin, 1958, S. 137f. Bild: Hans Grundig - Bildnis Lea Grundig, Öl, 1928.
Lea Grundig (1906-1977) war eine bedeutende Malerin und Graphikerin. Sie kämpfte an der Seite ihres Mannes Hans gegen den Faschismus. Mit knapper Not entkam sie den faschistischen Henkern.
siehe auch: Ossietzky 19/2009
Wie wir dachten, so handelten wir. Und wie wir dachten und handelten, so wollten wir auch malen und zeichnen. Unser Leben sollte ganz klar und eindeutig und eins sein. So lebten wir, und deshalb waren wir glücklich, und das "Haben" spielte bei uns keine Rolle. Wir haben niemals den geringsten Neid empfunden, wie wir Luxus und Eleganz sahen. Unser Leben war von uns geformt und gewollt. Wie viele Menschen können das von ihrem Leben sagen?
Lea Grundig, Gesichte und Geschichte, Dietz Verlag Berlin, 1958, S. 137f. Bild: Hans Grundig - Bildnis Lea Grundig, Öl, 1928.
Lea Grundig (1906-1977) war eine bedeutende Malerin und Graphikerin. Sie kämpfte an der Seite ihres Mannes Hans gegen den Faschismus. Mit knapper Not entkam sie den faschistischen Henkern.
siehe auch: Ossietzky 19/2009
Mittwoch, 19. August 2009
Der Philosoph
Eines Tages gesellte sich ein Philosoph zu uns. Er kam aus dem Hechtviertel, und war ein armer Teufel. Mit übermäßig großem Kopf, weichlich und rund von Gliederbau, erschien er uns wissend und weise. Immer trug er Bücher in der Tasche, uns unbekannten Inhalts. Seine Rede war dunkel und verworren, obwohl er sich in jedem zweiten Wort auf Logik stützte. Wir hörten ihm gern zu, seine weiche, leise Stimme umhüllte uns und führte uns in unbekannte weltweite Fernen. Er wollte uns zu seinen Jüngern machen, zu "All-All"-Menschen, den Weisen und besonderen des Menschengeschlechts. In langen nächtlichen Spaziergängen über die Loschwitzer Höhen hinaus sprach er herrliche Gedichte Hölderlins und Rilkes. Sie berauschten uns, und träumend schritten wir durch die nächtliche Landschaft. (...)
Allmählich gingen unsere Wege auseinander. Viel später sah ich ihn als dickhintrigen SA-Mann herumlaufen. Das also war seine real gewordene "All-All-Vorstellung" vom besonderen Menschen. Später habe ich noch viele Spielarten von "Idealisten", Anarchisten und sonstigen Weltverbesserern kennengelernt. Viele von ihnen gingen einen ähnlichen Weg und wurden zu Faschisten in der Zeit, da es in Deutschland am finstersten war.
Hans Grundig, Zwischen Karneval und Aschermittwoch - Erinnerungen eines Malers, Dietz Verlag Berlin 1986, S.63 f.
Allmählich gingen unsere Wege auseinander. Viel später sah ich ihn als dickhintrigen SA-Mann herumlaufen. Das also war seine real gewordene "All-All-Vorstellung" vom besonderen Menschen. Später habe ich noch viele Spielarten von "Idealisten", Anarchisten und sonstigen Weltverbesserern kennengelernt. Viele von ihnen gingen einen ähnlichen Weg und wurden zu Faschisten in der Zeit, da es in Deutschland am finstersten war.
Hans Grundig, Zwischen Karneval und Aschermittwoch - Erinnerungen eines Malers, Dietz Verlag Berlin 1986, S.63 f.
Dienstag, 11. August 2009
Dramaturgie der Pantomime
Как создается сценарий, предложим, начинающим драматургом?
Выписав основу (событийно-действенный ряд), драматург немедленно устремляется в погоню за максимально точным описанием атмосферы будущего зрелища. Ведь атмосфера - это принципиально важно! И вот уже мучительно ищутся слова для выражения того, что потом - в спектакле - не потребует ни единого слова. Драматург пытается найти образы, которые помогли бы читателю хоть немного сделается зрителем уже сейчас, немедленно, в процессе чтения. Он трепетно и скрупулезно описывает словами, как характер его героя выявляется через характер пластики, как в кульминационный момент герой вытягивается, устремляясь вверх, замирает и делает глубокий и медленный вход, подобно могучей птице перед полетом. И уже начинает рождатья, зреть та трепетная атмосфера, которую он, драматург, ясно видит, чувствует, ощущает...
(Илья Рутберг, Пантомима - движение и образ, М. 1981, стр.41)
Wie entsteht ein Drehbuch? Wаs schlagen wir dem künftigen Dramaturgen vor?
Nachdem wir die Grundlagen aufgeschrieben haben, d.h. den Handlungsablauf, beginnt der Dramaturg sofort mit einer möglichst genauen Beschreibung der Atmosphäre des künftigen Schauspiels. Die Atmosphäre ist von außerordentlicher Bedeutung! Es werden in mühevoller Kleinarbeit die passenden Worte für jenen Ausdruck gesucht, der später - in der Vorstellung - unter völligem Verzicht auf Worte dargestellt werden soll. Der Dramaturg versucht, Bilder dafür zu finden, die einem Leser geholfen hätten, sich schon beim Lesen ein wenig wie ein Zuschauer in der Vorstellung zu fühlen. Minutiös beschreibt er mit Worten, wie sich der Charakter seines Helden im Bild darstellt, wie sich der Held zum Höhepunkt der Handlung hin streckt, wie er sich nach oben wendet, innehält und tief und langsam einatmet, ähnlich dem mächtigen Vogel vor dem Flug. Und es beginnt schon, jene scheue Atmosphäre heranzureifen, die er, der Dramaturg, klar sieht, fühlt und empfindet...
(Ilja Rutberg, Pantomime - Bewegung und Darstellung, Moskau, 1981, S.41 russ.)
(Илья Рутберг, Пантомима - движение и образ, М. 1981, стр.41)
Wie entsteht ein Drehbuch? Wаs schlagen wir dem künftigen Dramaturgen vor?
Nachdem wir die Grundlagen aufgeschrieben haben, d.h. den Handlungsablauf, beginnt der Dramaturg sofort mit einer möglichst genauen Beschreibung der Atmosphäre des künftigen Schauspiels. Die Atmosphäre ist von außerordentlicher Bedeutung! Es werden in mühevoller Kleinarbeit die passenden Worte für jenen Ausdruck gesucht, der später - in der Vorstellung - unter völligem Verzicht auf Worte dargestellt werden soll. Der Dramaturg versucht, Bilder dafür zu finden, die einem Leser geholfen hätten, sich schon beim Lesen ein wenig wie ein Zuschauer in der Vorstellung zu fühlen. Minutiös beschreibt er mit Worten, wie sich der Charakter seines Helden im Bild darstellt, wie sich der Held zum Höhepunkt der Handlung hin streckt, wie er sich nach oben wendet, innehält und tief und langsam einatmet, ähnlich dem mächtigen Vogel vor dem Flug. Und es beginnt schon, jene scheue Atmosphäre heranzureifen, die er, der Dramaturg, klar sieht, fühlt und empfindet...
(Ilja Rutberg, Pantomime - Bewegung und Darstellung, Moskau, 1981, S.41 russ.)
Sonntag, 9. August 2009
...........Wohin zieht ihr?
Donnerstag, 6. August 2009
Том Беллинг - Tom Belling
В цирке Ренца служил артист, американец Том Беллинг. Служил он на амплуа клишника («человек без костей»). Так как номер его был очень короткий, то его почти не ставили на программу, и Том исполнял только обязанности униформиста. Был он хорошим товарищем и еще лучшим собутыльником. Так служил он в цирке, не выступая самостоятельно на манеже несколько лет. Однажды Ренц обратил на него внимание и поинтересовался его специальностью. Беллинг сказал, что он клишник. Ренц рассмеялся, так как при почти ежедневной выпивке Том приобрел порядочный животик. — Хорошо, — проговорил Ренц, — скажите режиссеру, чтобы поставил вас на программу. Я хочу видеть, как вы будете гнуться. Беллинг растерялся. Пошел в уборную, попытался сделать номер, — ничего не вышло. Дома после спектакля стал тренироваться и так натер себе нос, что он стал походить на помидор. Утром во время конной репетиции Ренц заметил его красный нос, решил, что он пьян, позвал режиссера и приказал ему поставить Тома Беллинга на следующий день на программу. Беллинг, узнав это, впал в уныние. Днем во время обедя в столовой артисты из сочувствия к нему наперерыв угощали его вином и пивом. Он так наугощался, что уснул тут же в столовой. Проснулся перед самым представлением, бросился в цирк. Шел уже первый номер программы. Том побежал в костюмерную. В коридоре его увидел Ренц, взял его за шиворот, посмотрел на него и сказал: «Я иду в места для публики, если через две минуты я не увижу вас в униформе, то завтра вам не придется гнуться; так как я прикажу выбросить вас вон из цирка как щенка». Ренц дал ему подзатыльник, и Беллинг бросился к костюмеру за униформой. Костюмер увидел его красный нос, почувствовал, что от него разит, как от винной бочки, и сказал: «Беллинг, вы же знаете, что по распоряжению дирекции пьяным униформа не выдается. Я не хочу из-за вас лишиться места», — и захлопнул окно костюмерной; Беллинг побежал в уборную. Там в глаза ему бросилась чья-то униформа. Он быстро надел ее и побежал вниз. В это время на манеж выносили ковер. Ковер начали уже расстилать. Том хотел помочь товарищам, но так как хмель еще не прошел, то он споткнулся и упал. Он встал растерянно и начал в смущении стряхивать с себя опилки и тут только заметил, что рукава у него болтаются на пол-аршина. Оказалось, что он с перепугу надел на себя специально сшитую униформу артиста геркулеса Папи Бруно. Падение Тома Беллинга, костюм не по росту, взъерошенные волосы, красный нос вызвали комерический хохот публики. Том растерянный уходил за кулисы, а цирк кричал: «Браво, Август!.. Браво?..» Публика решила, что все это проделано нарочно и отнеслась к Беллингу, как к Иванушке-дурачку. («Август» по-немецки соответствует нашему «Иванушке».) ... Судьба Тома Беллинга была решена.(Альперов, На арене старого цирка, 1936, Глава IV, с.89)
Tom Belling jun.
(1873 - 1934)
Im Zirkus Renz war der amerikanische Artist Tom Belling beschäftigt. Er war als Kontorsionist angestellt, als «Mensch ohne Knochen». Da seine Darbietung sehr kurz war, hatte man ihn nicht mit ins Programm genommen und ihm nur die Aufgabe eines Uniformisten übertragen. Doch Belling war ein guter Kollege und ein noch besserer Zechbruder. So blieb er einige Jahre im Zirkus, ohne selbst in der Manege auftreten zu können. Eines Tages jedoch interessierte sich Direktor Renz für ihn und fragte ihn nach seiner Spezialisierung. Belling erwiderte, daß er Kontorsionist sei. Renz lachte, da Belling vom beinahe täglichen Alkoholgenuß ein ansehnliches Bäuchlein bekommen hatte. "Gut," sagte Renz, "sagen Sie dem Regisseur, daß er Sie morgen ins Programm nehmen soll. Ich will sehen, wie Sie sich verbiegen." Das brachte Belling in ziemliche Verlegenheit. Er ging in die Garderobe und versuchte seine Darbietung einzuüben, doch nichts gelang ihm. Zu Hause nach der Vorstellung begann er, zu trainieren und er rieb sich dabei so sehr die Nase, daß sie rot wie eine Tomate wurde. Als Renz am nächsten Morgen während der Reiterprobe Tom Bellings rote Nase sah, nahm er an, daß dieser betrunken sei, und er wies den Regisseur an, Belling wieder aus dem Programm zu nehmen und erst am folgenden Tag einzusetzen. Belling war darüber sehr verunsichert. Doch aus Anteilnahme bewirteten ihn seine Kollegen zum Mittag mit Wein und Bier. Davon war Belling so erschöpft, daß er noch am Tisch einschlief. Erst kurz vor der Vorstellung wachte er auf und eilte zum Zirkus. Die erste Nummer des Programms hatte schon begonnen. Belling rannte in die Garderobe, als Renz ihn erblickte und am Kragen packte: "Ich gehe jetzt auf meinen Platz ins Publikum, und wenn ich Sie nicht in zwei Minuten in Uniform sehe, dann brauchen Sie sich morgen nicht mehr zu verbiegen. Ich werde Sie wie einen Hund aus meinem Zirkus werfen."
Er gab ihm einen Stoß, und daraufhin rannte Belling zum Gewandmeister, um sich eine Uniform zu holen. Dieser sah seine rote Nase und bemerkte, daß er voll wie ein Weinfaß war. Er sagte nur: "Belling, Sie wissen, daß an Betrunkene keine Kostüme ausgegeben werden. Ich will Ihretwegen nicht entlassen werden." Belling rannte daraufhin in die Garderobe. Dort zog er sich irgend jemandes Uniform an und eilte in die Manege, wo man schon begonnen hatte, den Teppich auszurollen. Belling wollte seinen Kollegen noch helfen, doch er stolperte und fiel hin. Verwirrt stand er wieder auf, versuchte sich zu schütteln, wobei er bemerkte, daß die Ärmel halb abgerissen waren. Es war die speziell genähte Uniform des Kraftakrobaten Papa Bruno. Das Hinfallen Bellings, sein viel zu großes Kostüm, die strubbeligen Haare und seine rote Nase riefen beim Publikum ein homerisches Gelächter hervor. Belling ging verwirrt in die Kulissen ab, doch der ganze Zirkus schrie: "Bravo August! Bravo!" - (...) Damit war das Schicksal Tom Bellings entschieden.
(Alperow, In der Arena des alten Zirkus, M. 1936, Kap. IV, S.89 russ.)
Tristan R é m y - Clowns Entrées
Vergeblich wird man eine Sammlung von Clowns-Entrées suchen. Niemand hat sich der Mühe unterzogen, die Personen, die Antworten, die szenischen Spiele und die Lazzi zu notieren, die einer Form des Theaters angehören, die vielleicht einmal verschwinden wird - wie auch der Zirkus selbst, ohne dessen Rahmen sie ihre Daseinsberechtigung verlieren würde.
Mit dem Aussterben der "großen Familien", die von Generation zu Generation Akrobaten, Clowns und Kunstreiter hervorbrachten und die das Können aller ihrer Mitglieder verwendeten und so das Entstehen ganzer Schauspiele sicherten, steht zu befürchten, daß das Clowns-Repertoire allmählich in Vergessenheit gerät. Menschen zum lachen zu bringen ist ein Handwerk mit verschiedenen Techniken. Die Artistenkinder, die seit ihrer frühesten Jugend in Kontakt mit der Familienmannschaft stehen, werden ganz natürlich die bewährtesten Techniken wieder aufnehmen. Sie wissen, "was zieht" und "was die Leute kalt läßt". Viele Clowns, die heute als Amateure in den Zirkus gekommen sind, haben ihr Handwerk vom Zufall und ohne den Geist der Tradition gelernt. Wie sollen sie auch so ohne weiteres die beruflichen Qualitäten ihrer Vorgänger haben können, die von einem Meister ausgebildet waren, der mit dem Instinkt des Stammes die Unterschiede von Gesten, von Posen und Situationen spürte und der es verstand, die Klippen zu vermeiden, die seine Väter schon zu umgehen wußten?
Tristan R é m y (Septmber 1962)
Quelle: Tristan R é m y, Clownnummern, Henschelverlag Berlin 1989, S.64.
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