Dienstag, 25. Oktober 2016

Gedanken beim Betrachten eines Fotos

Was ist eigentlich ein Clown?
Nachbetrachtungen zu einem Zeitungsfoto

Als ich kürzlich die Zeitung aufschlug, war ich nicht schlecht erschrocken: DAS sollen Clowns sein? Da lautete schon die Überschrift reichlich bedrohlich „Clown mit Kettensäge“ [1]. Nun weiß ich natürlich nicht, ob ein Clown jemals ein solches martialisches Instrument in seinem Requisitenkoffer mit sich herumschleppte, doch eines war mir klar: der Clown ist alles andere als ein Ganove. Von alters her war der Clown schon immer ein Spaßmacher, ein Publikumsliebling, ein Freund der Kinder und Erwachsenen – und nicht selten der unbestrittene Höhepunkt einer Zirkus-Vorstellung.

Oder eben anders gesagt: ein „Sympathieträger“, wie es ein Künstleragent mir gegenüber einmal äußerte. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Denn „Spaß“ auf Kosten der Zuschauer ist keine Clownerie. Niemals gab es in der Geschichte der Clownerie solche perversen „Entgleisungen“ wie die, welche seit einiger Zeit aus den USA zu uns herüberschwappen. Da gibt es eine ganze Verbrecherkartei von „Unbekannten“, die des Nachts an dunklen Ecken bunt kostümiert und mit böse grinsenden Masken unbescholtene Bürger überfallen und Kinder erschrecken...

Und ich kenne die Geschichte der Clownerie ziemlich genau. Viele berühmte Clowns haben sich im Laufe der Jahrhunderte in das „Goldene Buch“ der Clownerie eingeschrieben, haben die Menschen zum Lachen und zum Nachdenken gebracht, haben parodiert, imitiert und veralbert, haben ihren Schabernack getrieben oder einfach nur witzige Situationen vorgeführt. Sie haben ihr Publikum geachtet – und sie wurden geliebt und bewundert.

Berühmte und beliebte Clowns...

Da gab es (und gibt es!) Clowns im Zirkus und auf der Bühne, Clowns im Krankenhaus und im Seniorenheim, Clowns im Theater und im Varieté, Clowns im Kindergarten, Clowns auf Geburtstagsfeiern und bei großen Gala-Veranstaltungen. Viele berühmte Namen könnte man da nennen: Grimaldi, Grock und Charlie Chaplin, Gardi Hutter und Clown Dimitri, Karandasch und Slawa Polunin, Galetti, Juri Nikulin und Oleg Popow, Charlie Rivel, Clown Nuk, Ankeblümli und Clown Clemil, Rainer König, Eddi und Locci und nicht zuletzt Clown Ferdinand. Man kann sie gar nicht alle aufzählen. So reich ist die Vergangenheit an Schönem, Lustigem und Bewegendem. Berühmt waren vor allem die sowjetischen Clowns. Weniger schön, doch wohl aber lustig waren auch solche „traurigen Clowns“ wie der etwas heruntergekommen aussehende amerikanische Trampclown Otto Griebling, der in den USA große Erfolge feierte. Einen „Horrorclown“, wie diese in der Zeitung, gab es unter denen jedoch nie.

Der Schriftsfteller Heinrich Böll hat versucht, in seinem Buch „Ansichten eines Clowns“ gewissermaßen das „Innere“ eines Clowns zu beleuchten. Er stellt einen traurigen Clown dar, was schon ein wenig widersprüchlich ist, denn auch der Clown ist ja nicht eine „gespaltene Persönlichkeit“, sondern ein lebendiger Mensch mit all seinen Stärken und Schwächen, seinen Freuden und Leiden, seiner Zärtlichkeit und seinem Spott, und er will vor allem die Menschen zum Lachen bringen – und nicht zum Weinen. So daß man eigentlich nicht davon reden kann, wie Böll es tut: „Ich langweile mich über mich selbst.“ [2] Das ist kein Clown, sondern eine tragische Figur!

Worin liegt nun das Geheimnis des Clowns?

In ihrem Buch „Clown und Zeit“ schreibt Natalia Rumjanzewa: „Clowns sind doch überdurchschnittliche Schauspieler und waren immer beliebt.“ Und weiter: „Natürlich ist die Kunst des Clowns sehr kompliziert, und seine Gestalt läßt sich nicht in den Rahmen einer Zirkusvorstellung pressen, denn sie besteht in unserem Bewußtsein unabhängig von den Vorgängen während dieser Vorstellung. Wir können sogar konkrete Gags dieses Clowns vergessen, aber wir erinnern uns, wie er gegangen ist, wie er sich umgedreht hat, wie er gelächelt hat, was für einen Gesichtsausdruck er hatte, und wir finden darin etwas sehr Komisches und uns Vertrautes. Für uns symbolisiert der Clown das Lachen.“ [3]

So sind gute Clowns also immer eine Bereicherung. Sie sind der Grund für Spaß und Heiterkeit, und sie geben allemal auch Grund zum Nachdenken. Was kann man Besseres darüber sagen als Paul Cézanne:

Meinen Harlekin habe ich gemalt,
weil ich die Zeit, in der ich lebe,
verstehen wollte.“
CLOWN GERRIT


[1] Siehe Ostthüringer Zeitung vom 22. Oktober 2016, Seite 8.
[2] Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1967, Seite 101. 
[3] Natalia Rumjanzewa: Clown und Zeit. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin 1989, Seiten 7 und 9. 


Lies dazu auch: wipokuli
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Und das bin ich:


 Clown Gerrit - der unbestrittene Publikumsliebling bei einer Veranstaltung in Meppel (Holland)

(P.S. Dieser Artikel von mir wurde am 08.11.2016 in der Ostthüringer Zeitung abgedruckt. Ein Honorar erhielt ich dafür jedoch nicht. Nicht einmal ein Wort des Dankes...)

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