Dienstag, 22. Februar 2011

Ansichten über Leben und Sterben

Das Lachen ist im Grunde immer ein Ausdruck der inneren Lebensfreude. Es gehört zum Leben wie die Traurigkeit, wie auch das Weinen. Ohne diese Lebensfreude, ohne Humor fällt das Lachen eben schwer. Aber auch das Leben. Mitunter werden Clowns vor eigenwillige Herausforderungen gestellt, die aber sehr wohl auch mit der Lebenseinstellung zu tun haben, die eine eigene, möglicherweise auch eine ganz ungewöhnliche  Sichtweise herausfordern. Bekanntlich stehen die sogenannten Klinikclowns vor der schwierigen aber doch selbstgewählten Aufgabe, schwerkranke Kinder in Krankenhäusern zu betreuen. Das trifft in ähnlicher Weise auch zu für Clowns, die Patienten am Krankenbett u.a. in Onkologiestationen oder Hospizhäusern besuchen. Eine Aufgabe, die sehr viel Feingefühl erfordert. Sie erfordert Achtsamkeit im Umgang mit anderen.

Ist es nun gewagt, als Clown auch über das Sterben nachzudenken? Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, bei einem Hospizverein einen Vortrag zu halten zum Thema "Sterben und Humor". Hier sind sie nun...

 Meine Ansichten eines Clowns

Über Leben und Sterben

Beides sind zwei Seiten des menschlichen Daseins, und sie sind allgegenwärtig. Auch wenn letzteres uns nur selten oder in außergewöhnlichen Situationen zu Bewußtsein dringt: Wenn ein Mensch stirbt, so vollendet sich sein Leben. Das ist oft genug schmerzlich für ihn und seine Angehörigen, für seine Freunde und Bekannten. Denn nicht selten bleiben unerfüllte Wünsche und Hoffnungen zurück, die der Betreffende nicht mehr realisieren konnte. Doch finden auch sie auf irgendeine Weise ihre Fortsetzung – das Leben, sein Werk und sein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit setzt sich fort. Und was uns bleibt, sind die Erinnerungen an sein Wirken, sein Nachlaß und sein Vermächtnis, welches zu erfüllen und einzulösen uns aufgetragen ist.

Spinoza sagte einst: „Der freie Mensch denkt über nichts weniger als über den Tod, und seine Weisheit ist nicht ein Nachdenken über den Tod, sondern über das Leben.“

Als Clown habe ich den Anspruch, Lebensfreude und Humor zu vermitteln – kurz: das Publikum auf sinnvolle Weise zum Lachen zu bringen. Daß natürlich auch Sterbende auf irgendeine Weise noch mit dem Humor des Lebens verbunden sind, beweist die verantwortungsvolle Arbeit der Klinikclowns auf Kinderkrebsstationen. Und eines ist klar: das betrifft bei weitem nicht nur Kinder, sondern mehr noch die Erwachsenen; es betrifft nicht nur die Sterbenden, sondern nachhaltig vor allem auch deren Angehörige, Eltern und Geschwister, welche natürlich unter dem Dahinscheiden eines geliebten Menschen leiden. So ist in der Tat das Leben die entscheidende Seite jener Medaille, und es hat wenig Zweck, über Versäumtes nachzudenken, wenn man daraus nicht die Konsequenz zöge, es selbst fortan besser zu machen als vielleicht jener, dem diese Chance nicht mehr vergönnt war. Die Nähe des Todes ist so immer auch Anlaß zum Nachdenken über den eigentlichen Sinn des Lebens, den Sinn des eigenen Lebens, selbst wenn für viele Menschen die Gewißheit, einmal sterben zu müssen, fernab und unvorstellbar ist.

So bliebe zu fragen, welche Art von Heiterkeit denn nun angebracht wäre, angesichts des bevorstehenden oder eingetretenen Todes einer nahestehenden Person. Ist sie es überhaupt oder soll man sich ganz der Trauer über den unersetzlichen Verlust hingeben? Mir scheint, Weisheit ist es wohl nicht, den Tod eines Menschen in eine eigene Endzeitstimmung umzumünzen und so den eigenen Schmerz in einen noch allgemeineren Weltschmerz zu steigern, da das die Not eher noch vergrößert. 

Was aber nun ist die Philosophie des Clowns?

Das „Lachen unter Tränen“ bleibt dem Bajazzo vorbehalten, der nur schwer seine wesenhafte innere Traurigkeit zu verbergen vermag. Der Clown hingegen lacht aus Freude, er lacht über seine eigene Ungeschicklichkeit oder über die anderer, er lacht über unerwartete, überraschende Einsichten, und – er bringt vor allem andere zum Lachen. Daß dies einer tiefen Lebensfreude entspringt, ist nur zu logisch, denn Pessimismus oder gar eine fatalistische Einstellung entzögen ihn sehr bald der Gunst seines Publikums.  (G.J.)


Literaturempfehlung:
Kay Blumenthal-Barby, Wenn ein Mensch stirbt, Ausgewählte Aspekte perimortaler Medizin, VEB Verlag Volk und Gesundheit, Berlin (DDR), 1986

Donnerstag, 10. Februar 2011

...das Ende der Kultur

Wo auf der einen Seite des Globus innerhalb von kürzester Zeit gigantische Bauwerke entstehen, die wie Pilze nach einem warmen Regenguß aus dem Boden schießen, wo ganze Städte aus dem Nichts emporwachsen, da verfallen auf der anderen Seite unserer einst so schönen Erde ganze Landstriche, Häuser und Dörfer. Übrig bleibt der Restmüll einer ganzen Generation. Es ist ein unglaublicher Verschleiß an menschlicher Leistung, an genialer Schöpferkraft, angetrieben durch die immense Zauberkraft des modernen Kapitalismus. Genutzt, verbraucht, verworfen! Alles dient nur dem Profit, es zählt nur der Gebrauchswert falls das nicht mehr genügt, dann sorgt sich keiner um den Rest. Sei es wie es ist – nach uns die Sintflut!

Und so zeigt sich auch im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", auf der anderen Seite des großen Teichs, der zunehmende Verfall kultureller Werte was auch immer man darunter verstehen mag. All das, was einst durch Vergnügungen, mit Bars und Music Halls, mit Shopping Malls und durch "Gemuetlichkeit"  belebt war, das steht nur leer. Die hohlen Augen der Fenster glotzen ins Nichts, der Wind pfeift durch die zerbrochenen Fensterscheiben und wirbelt ein paar Fetzen einer übriggebliebenen Gardine umher.

Das ist der Lauf der Zeit, das war's mit der gepriesenen westlichen Kultur unserer "westlichen Wertegemeinschaft"  ...oder wie man es auch nennen will. Es sind dies Bilder aus Detroit, einer US-amerikanischen Metropole, welche dereinst bekannt war durch ihre Massenproduktion an Kraftfahrzeugen –  heute eine verlassene, eine  sterbende, eine gestorbene Stadt. Dem spätbürgerlichen Showbusiness, das noch gebunden war an eine florierende Industrie (die ihre Lebenskraft mitunter sogar  zu einem Drittel aus der Rüstungsproduktion bezog), an belebte Straßen und beleuchtete Fassaden,  an bewohnte Siedlungen, Hochhäuser, Büros und Bankgebäude,  fehlt nunmehr  jegliches Publikum, jegliches Leben. Bibliotheken stehen leer, selbst die Bücher finden keine Leser,  Wohnungen keine Bewohner, Klaviere keine Pianisten, die Bordells keine Mädchen und die Bars keine zahlenden Trinker mehr. Sogar die Clownerie befindet sich in einer sichtbaren Krise. Was Fast-Food-Ketten derweil noch an "künstlerischem" Niveau aufzubieten haben, gerät mehr und mehr zum langweiligen Geplänkel. Überflüssig – wie eben auch jene bis zum Überdruß abgenuddelten Weihnachtslieder in einem Einkaufszentrum zur Winterzeit. Der Überfluß an Waren ist nicht mehr aufzuhalten, die Kaufkraft sinkt, die Ratlosigkeit in den "Führungsetagen" wächst, es folgt die allgemeine Krisenstimmung, worüber auch die wohlwollenden Berichte der Zeitungen nicht hinwegtäuschen können: Die "Tafeln" werden immer länger, die Löhne immer kürzer, und der Bourgeois wird immer fetter. Der Rest hofft auf seine baldige Pensionierung. Was also tun, sprach Zeus?

Mit einem dümmlichen Grinsen schiebt sich die rothaarige Fratze eines Clownsgesichts durch den Türspalt, eine Stimme flötet: "Hallohoo –  Hallöööchen!". Und man ahnt, daß dieser Typ in einer guten Stunde seine miefigen Socken im Sessel vor dem Fernseher ausziehen, und wenig später rülpsend sein lauwarmes Bier hinunterkippen wird. Ob das nun die Erfüllung eines Lebens ist? Man weiß es nicht. Vielleicht denkt dieser bedauernswerte Kerl darüber selber nicht mal nach.

Doch – wie dem auch sei der Zirkus zieht weiter, und auch der Clown muß sich entscheiden: zieht er nun mit, oder bleibt er da. Während sich die Clownerie  derweil noch mit billigen Späßen über menschliche Unzulänglichkeiten und körperliche Gebrechen über Wasser hält, die Artistik das gaffende Publikum mit waghalsigen Tricks ins Schaudern versetzt, und die unsägliche, groß aufgezogene Fernseh-Show mit viel Pomp und Rührseligkeit ein verblödetes Publikum auf die bezahlten Plätze im Parkett verweist, wo man recht nett zu lächeln und brav zu applaudieren hat. Während Schönheit zum Kitsch, und Komik zum Ulk verkommt, und das allgemeine Bildungsniveau in den künstlerischen Berufen ins Bodenlose sinkt,  spürt man nachgerade diesen Hauch von Vergänglichkeit. Und wer ein wenig mehr an Phantasie besitzt, oder wer eben an ein "DANACH" zu glauben imstande ist, der wird sich ganz eilig verabschieden von diesem dekadenten Treiben und alles tun, um ihm sein mögliches Ende zu erleichtern. (G.J.)

Donnerstag, 3. Februar 2011

Der verlassene Zirkus...

von Sewastopol ist schon ein trauriger Anblick. Die Sowjetunion war dereinst in aller Welt bekannt als ein Eldorado der Zirkuskunst. In jeder größeren Stadt, in jedem Rayon dieses riesigen Landes gab es einen volkseigenen Zirkus. Und die Menschen liebten ihre Artisten, ihre Clowns und Zirkuskünstler. Stets waren die Vorstellungen ausverkauft. Die Eintrittskarten kosteten oft nur wenige Rubel und waren für jeden erschwinglich. Die sowjetische Zirkuskunst hatte Tradition. Nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution im Jahre 1917 wurden in der Sowjetunion  zahlreiche neue Zirkusse errichtet. Allein bis zum Jahre 1978 gab es in der Sowjetunion 61 feste Zirkusgebäude teilweise sogar mit Wasserbassin 15 Wanderzirkusse und unzählige freie Artisten, die in Varietés und in den Estradenprogrammen der Kulturhäuser auftraten.

Was aus dieser berühmten sowjetischen Zirkuskunst geworden ist, das zeigen die folgenden Bilder. So sieht es heute aus. Es ist ein verlassener Zirkus der Staatszirkus von Sewastopol (Krim).




















Über den sowjetischen Zirkus
Erstmals wurde der Zirkus als eine echte Kunst anerkannt, die geeignet ist, die Menschen im Geiste der sozialistischen Ideale zu erziehen. Nunmehr nahmen die Zirkuskünstler einen würdigen Platz in der Reihe der sowjetischen Künstlerpersönlichkeiten ein. Im Dekret des Rates der Volkskomissare "Über die Vereinigung der Theater", das von W.I. Lenin am 26. August 1919 unterzeichnet wurde,  wurde das demokratische Wesen des Zirkus bestätigt. Und es wurde festgelegt, daß die Zirkusse von bürgerlichen Banalitäten zu befreien sind. Der Punkt 23 dieses Dekretes besagte: "Die Zirkusse müssen als Betriebe einerseits einträglich, und andererseits für das sie besuchende Publikum demokratisch sein. Insbesondere sollen sie von den ungesunden Elementen befreit und dem künstlerischen Niveau ihrer Programme nach ... den nichtautonomen Theatern angeglichen werden." Im selben Jahre schrieb der Volkskomissar für Bildung, A.W.Lunatscharski, in einem Artikel über "Aufgaben des erneuerten Zirkus" (in der Zeitschrift "Theaterbote", Nr. 3), der sowjetische Zirkus solle die physische Schönheit des Menschen demonstrieren. Er solle scharfsinnige, aktuelle und fortschrittliche satirische Clownerie und Pantomime zeigen, die sowohl der Geschichte, als auch der Phantasie breiten Raum läßt. Der Volkskomissar für Bildung schrieb, daß die große Beliebtheit des Zirkus dazu zwingt, "... über diese Kunstform nachzudenken. Schon allein daher stellt sich die Frage, ob man den Zirkus von überlebten Elementen befreien sollte, offensichtlich über einige veränderte Sichtweisen, zugleich aber auch über die Erhaltung seiner Hauptmerkmale nachdenken sollte. Wenn wir uns den Zirkus näher anschauen, müssen wir sofort die unstreitige Vielgestaltigkeit und den erzieherischen Charakter vieler seiner Bestandteile anerkennen. Der Zirkus ist außergewöhnlich wahrhaftig ... er widerspiegelt die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten." (Lunatscharski A.W., Über die Zirkusse, siehe Ausgew. Artikel, Bd. 1, 1958, S. 458-59).
Quelle: "Kleine Enzyklopädie Zirkus, Moskau 1979, S.16, russ.

Об истории советского цирка
Впервые цирк был признан подлинным искусством, которое призвано воспитывать массы в духе социалистических идеалов. Артисты цирка заняли почётное место в общем ряду деятелей советского искусства. В Декрете Совета Народных Комиссаров "Об объединении театрального дела", подписанном В.И. Лениным 26 Августа 1919, утверждалась демократическая сущность цирка, отмечалось, что цирки должны быть очищены от буржуазной пошлости. В 23-м пункте этого декрета говорилось: "Цирки, как предприятия, с одной стороны , доходные, с другой стороны, демократические по посещающей их публике и особенно нуждающиеся в очищении от нездоровых элементов и в художественном подъёме их программ ... администрируются наравне с неавтономными театрами". В том же годы в статье  "Задача обновленного цирка" (журнал "вестник театра", Nо.3) народный комиссар просвещения А.В. Луначарский писал, что советский цирк должен быть местом демонстрации физической красоты человека, остроумной, злободневной, по преимуществу сатирической клоунады и пантомимы, обращающейся как к истории, так и к фантастике. Нарком просвещения отмечал,  что широкая популярность цирка "...должна была заставить задуматься над этим явлением, уже одна она должна была поставить вопрос, может быть, об очищении цирка, о некотором видоизменении его, но, очевидно, вместе с тем и сохранении его основных черт. Но к тому же, присматриваясь ближе к цирку , мы должны сразу признать бесспорную многозначительности и воспитательный характер многих его главнейших элементов . Цирк есть чрезвычайно правдивое ... зрелище человеческой силы и ловкости" (Луначарский А.В. , О цирках, см. Избр. статьи, т. 1, 1958, с. 458-59).
Смотри: Маленькая энциклопедия "Цирк", Москва 1979, с.16.