Donnerstag, 25. September 2008

Die Entdeckung des Humors...

Unmittelbar vor dem Thron spielt man zur Kurzweil der Zarin auf Guslis, Balaikas, tanzt Volkstänze, reißt Possen, macht allerlei Späße und Scherze, singt lustige Lieder und spielt lustige Rätselspiele; alle tun, was sie können: Gaukler, Tänzer, Guslisspieler und Erzähler. Das ganze Reich ist von Gelächter erfüllt; nur seine Herrin lacht nicht, weil zum Lachen das Komische in der Wirklichkeit nicht ausreicht, weil auch noch die Fähigkeit zu seiner Wahrnehmung notwendig ist - der Humor, der Sinn für das Komische.

Im Leben gibt es nicht weniger Komisches als Schönes, Erhabenes und Tragisches. Aber der Mensch ist nicht immer fähig, es wahrzunehmen. Dafür muß man den Puls des Lebens fühlen und die Wirklichkeit mit dem ganzen Reichtum ihrer Farben betrachten und sehen können. Sogar bei dem großartigsten Humoristen, dem der Sinn für Humor von Natur gegeben ist, stützt sich der Humor auf die objektive Grundlage - die komischen Erscheinungen der Wirklichkeit selbst.

Den Menschen des Lachens zu berauben scheint eine harmlose Spielerei zu sein, ist aber tatsächlich ein boshafter Zauber, denn die Gestalt jener Märchenheldin, die das Lachen verlernt hat, ist wahrhaft tragisch. Und vielleicht ist sogar kein Zauber böser und kein Unglück bitterer als das, die "lachlose" Herrscherin eines des Komischen vollen Märchenreiches zu sein.

Nach der Vorstellung der Volkspoesie wird man tief unglücklich, wenn man das Lachen vergißt. Dies Vergessen bedeutet, in einer umgebenden Wirklichkeit wie auch in sich selbst etwas unendlich Teures zu verlieren. Es bedeutet, bestimmte teure und wichtige Eigenschaften seiner Seele zu verlieren.

Sich über das Volk erheben, sich von ihm losreißen, seine Stimme zu hören verlernen - das bedeutet gleichzeitig und in jedem Fall, die Fähigkeit der Freude am Leben zu verlieren, die Freude einzubüßen und der Kraft und ihres leiblichen Bruders - des Lachens - verlustig zu gehen. (J.Borew, Über das Komische, Berlin 1960, S.160f.)

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