Dienstag, 30. September 2008

Friedrich Karwath: Clowns.

Immer schon litt ich darunter, wenn fehlende Komik durch Grobheiten, Fußtritte, Ohrfeigen, Dialektsprechen oder gar Besoffenheit ersetzt werden sollte. Hier war ich also voll der Meinung, daß etwas Einschneidendes geschehen muß. Man kann so herrlich komisch sein, ohne Grobheiten und Brutalitäten. Wie köstlich ist es doch immer gewesen, wenn Beppo und Klein-Otto sich in der Manaege begegneten und so stürmisch begrüßten, daß allein durch den Händedruck Klein-Otto einige Meter weit durch die Manege flog,natürlich genau auf die Füße kam und zurücklief, als sei nichts geschehen.

Daß Kritiker sich gegen die übertriebenen und unnatürlichen Masken der Auguste gewandt haben, verstehe ich, seit ich eine Studie über die sogenannten Trampauguste gesehen habe. Darin waren ungefähr 20 Masken abgebildet, die keinerlei Mimik erkennen ließen, Das waren nur grelle und unmotivierte Farbkleckse. Ich habe mir Gedanken gemacht, warum und woher solche Masken. In den amerikanischen Riesenunternehmen mit drei oder noch mehr Manegen und den Riesenentfernungen bewegen sich 20 oder 30 Auguste zur gleichen Zeit in den Manegen. Dabei kommt es gar nicht darauf an, was sie machen, sie kullern durch den Sand, treten und schubsen sich gegenseitig und haben weder Zeit noch Gelegenheit, einen Typ zu verkörpern. Es sind meist auch keine Berufsauguste, sondern zu dieser Art verpflichtete Artisten, die dies zusätzlich zu ihrer Darbietung machen müssen. Ich kenne aus meiner Kindheit sogar noch Fälle, wo man einfach Arbeitslose, die durch den Sportverband einen Handstand machen konnten, als Auguste eingesetzt hat, und deren Komik bestand natürlich nur darin, daß sie sich gegenseitig die Nase blutig schlugen, sich Fußtritte versetzten und sich im Dreck wälzten. Uns heute* unvorstellbar, die Leute haben darüber gelacht.

Also solche Masken, die das Gesicht entstellen und den Menschen unkenntlich machen, möchte ich auch nicht sehen.

*Friedrich Karwath war von 1954 an fast drei Jahrzehnte lang als Clown im Staatszirkus der DDR beschäftigt. (Auf dem Foto: Caro, Toto,Beppo und Klein-Otto)

Donnerstag, 25. September 2008

Die Entdeckung des Humors...

Unmittelbar vor dem Thron spielt man zur Kurzweil der Zarin auf Guslis, Balaikas, tanzt Volkstänze, reißt Possen, macht allerlei Späße und Scherze, singt lustige Lieder und spielt lustige Rätselspiele; alle tun, was sie können: Gaukler, Tänzer, Guslisspieler und Erzähler. Das ganze Reich ist von Gelächter erfüllt; nur seine Herrin lacht nicht, weil zum Lachen das Komische in der Wirklichkeit nicht ausreicht, weil auch noch die Fähigkeit zu seiner Wahrnehmung notwendig ist - der Humor, der Sinn für das Komische.

Im Leben gibt es nicht weniger Komisches als Schönes, Erhabenes und Tragisches. Aber der Mensch ist nicht immer fähig, es wahrzunehmen. Dafür muß man den Puls des Lebens fühlen und die Wirklichkeit mit dem ganzen Reichtum ihrer Farben betrachten und sehen können. Sogar bei dem großartigsten Humoristen, dem der Sinn für Humor von Natur gegeben ist, stützt sich der Humor auf die objektive Grundlage - die komischen Erscheinungen der Wirklichkeit selbst.

Den Menschen des Lachens zu berauben scheint eine harmlose Spielerei zu sein, ist aber tatsächlich ein boshafter Zauber, denn die Gestalt jener Märchenheldin, die das Lachen verlernt hat, ist wahrhaft tragisch. Und vielleicht ist sogar kein Zauber böser und kein Unglück bitterer als das, die "lachlose" Herrscherin eines des Komischen vollen Märchenreiches zu sein.

Nach der Vorstellung der Volkspoesie wird man tief unglücklich, wenn man das Lachen vergißt. Dies Vergessen bedeutet, in einer umgebenden Wirklichkeit wie auch in sich selbst etwas unendlich Teures zu verlieren. Es bedeutet, bestimmte teure und wichtige Eigenschaften seiner Seele zu verlieren.

Sich über das Volk erheben, sich von ihm losreißen, seine Stimme zu hören verlernen - das bedeutet gleichzeitig und in jedem Fall, die Fähigkeit der Freude am Leben zu verlieren, die Freude einzubüßen und der Kraft und ihres leiblichen Bruders - des Lachens - verlustig zu gehen. (J.Borew, Über das Komische, Berlin 1960, S.160f.)

Sonntag, 14. September 2008

Der Sinn fürs Komische

"Jeder Mensch besitzt ein gewisses Maß an Feingefühl. Selbst ein mittelmäßiger Künstler muß daher in der Lage sein, einigermaßen gut ein tragisches Chanson vorzutragen oder ein tragisch-dramatisches Geschehen überzeugend zu gestalten. Heiterkeit allerdings sowie der Sinn fürs Komische sind eine natürliche Gabe. Eine Naturgabe läßt sich nicht erlernen. Man würde nur wertvolle Zeit damit vertun. Man ist begabt, oder man ist es nicht. Der Sinne fürs Komische ist meist mit einer weiteren Gabe verknüpft - mit Gesundheit. Man wird selten nur einen Kranken finden, der einen Sinn fürs Komische besitzt. Die Natur verleiht diese Gabe nicht nur einem gesunden Körper, sondern auch einem gesunden Geist. Man kann feststellen, daß Menschen mit ausgeglichenem Charakter oft jenes heitere Gemüt besitzen, das nervösen, zänkischen oder launischen Personen versagt bleibt..." (Yvette Guilbert, Die Kunst ein Chanson zu singen, Berlin, 1981, S.90)

Mittwoch, 10. September 2008

Gegen die Objektiven









Wenn die Bekämpfer des Unrechts
Ihre verwundeten Gesichter zeigen
ist die Ungeduld derer, die in Sicherheit waren
Groß.

Warum beschwert ihr euch, fragen sie,
Ihr habt das Unrecht bekämpft! Jetzt
Hat es euch besiegt: schweigt also!

Wer kämpft, sagen sie, muß verlieren können.
Wer Streit sucht, begibt sich in Gefahr.
Wer mit Gewalt vorgeht,
Darf die Gewalt nicht beschuldigen.

Ach, Freunde, die ihr gesichert seid,
Warum so feindlich? Sind wir
Eure Feinde, die wir Feinde des Unrechts sind?
Wenn die Kämpfer gegen das Unrecht besiegt sind,
Hat das Unrecht doch nicht recht!!

Unsere Niederlagen nämlich
Beweisen nichts, als daß wir zu
Wenige sind
Die gegen die Gemeinheit kämpfen.
Und von den Zuschauern erwarten wir,
Daß sie wenigstens beschämt sind.

Bertolt Brecht